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Der Marktplatz von Halle
(Fortsetzung S. 4 von 4)
Parallel zu
diesem Neubauvorhaben haben die Bemühungen um
einen Wiederaufbau des Alten Rathauses neu
eingesetzt, getragen von einem eigens für diesen
Plan gegründeten Verein. Kann dessen erste
Initiative, durch die Aufstellung eines
Bronzemodells an das historische Gebäude zu
erinnern, als sehr erfreulich und gelungen
betrachtet werden, zeigt sich jedoch in allen
Verlautbarungen der Protagonisten des Vereins und
der von diesen bemühten Autoritäten denkmal-
und architekturfremder Fachgebiete eine fatale
Fixierung auf einen Gegenstand, die vom gegebenen
Kontext am Marktplatz wie in der gesamten Stadt
absieht. Das hallesche Rathaus, praktisch restlos
beseitigt und in seiner letzten Gestalt kein
einheitlicher Entwurf, sondern Ergebnis einer
abwechslungsreichen und schwer rekonstruierbaren
Baugeschichte, ist nicht zu vergleichen mit der
Dresdener Frauenkirche - und Halle ist nicht zu
vergleichen mit dem grausam zerstörten
Hildesheim, es besitzt immer noch zahlreiche
bauliche Zeugnisse seiner Geschichte, deren
Erhaltung großen Einsatz fordert und wert ist.
Die Identität der Stadt macht sich keineswegs
allein am Rathaus fest, so bedauerlich dessen
Verlust auch ist. Am Marktplatz und in dessen
unmittelbarer Nähe befinden sich mehrere akut
gefährdete Baudenkmale der Renaissance und des
Barock, als bedeutendstes sei nur der Kühle
Brunnen genannt, von dem wertvollste Bauteile, in
Händen desselben Investors, der die Nordostecke
bebaut, fast unbeachtet und ungeschützt gegenwärtig
ihrem Untergang entgegensehen.
Neben den Bebauungsplänen wird auch die
Gesamtgestaltung des Platzes wieder verstärkt
diskutiert. Die Stadt hat auf Grundlage der
Wettbewerbe und Planspielvorschläge Leitlinien
erarbeitet und präsentiert diese seit kurzem
auch im Internet. Zu den Platzkanten gibt es
momentan neben der Nordostecke keine weiteren
konkreten Pläne. Vorgesehen ist die Verlegung
des störenden Diagonalgleises der Straßenbahn,
was auch eine Neuordnung der Nutzungsbereiche ermöglichen
soll; durch Konzentration der Verkaufsstände des
Wochenmarktes in den Bereich südlich des Roten
Turms wird Freiraum für andere Nutzungsmöglichkeiten
geschaffen und der Platz eindrucksvoller erlebbar.
Der unterhalb der Marktkirche liegende Platz des
Hallmarktes soll besser angebunden werden.
Umstritten ist die Beseitigung des Umbaus um den
Roten Turm, unumstritten die Notwendigkeit, mit
einem neuen Pflaster wieder eine Gliederung zu
schaffen.
Soll die künftige Detailgestaltung die
Aufenthaltsqualität angemessen verbessern, wäre
es geraten, vom vielzitierten Bild der guten
Stube der Stadt wegzukommen, denn dieses
suggeriert eher Provinzialität, nicht Großzügigkeit
und Lebendigkeit. Ein Händeldenkmal gerahmt von
Friedhofsrabatten, Luftballons und am Kran hängenden
Autos einer Sponsorfirma, wie bei den jüngsten Händelfestspielen,
ist noch nicht das Bild, das in die Zukunft weist.
Die bestehenden Vorschläge für die Gestaltung
sind durchwachsen, von einer Erweiterung der
Freiluftgastronomie (die sich an anderen Stellen
der Altstadt in den letzten Jahren rasant
entwickelt hat) kann der Platz nur profitieren.
Mit Grün, wie es sich viele Bürger
wünschen, sollte dagegen eher sparsam umgegangen
werden, das Stadtzentrum kann nicht auch noch die
Funktion einer Parkanlage übernehmen, von denen
es nahebei auch genügend gibt. Eine Lichterwolke
an den Straßenbahnleitungen - so ein Entwurf
scheint eher kleinlich denn lebendig und
eine erneute Umzäunung des Händeldenkmals würde
diesen beliebten Treffpunkt mit seinen Sitzstufen
eher isolieren als schützen.Von Gewinn wäre es
zweifellos, wenn im neuen Kaufhaus die
freigelegten Fundamente des Wageturmes sichtbar
blieben, was erwogen wird, und ähnliches mit den
Rathausfundamenten geschähe, falls die geplanten
Grabungen einen dafür ausreichenden Befund
ergeben sollten. Im Resultat bilden die
beschriebenen Gegensätze zwischen moderner und
historischer Gestaltung ein Spannungsfeld, das
durchaus inspirativ wirken könnte, wenn die
Vertreter beider Richtungen in der Lage wären,
sich von ihren einseitigen Fixierungen zu lösen.
Die zeitgemäße Weiterentwicklung des Platzes
ist einer künstlichen Historisierung
vorzuziehen, ohne dabei Reminiszenzen an
Verlorenes auszuschließen. Grundvoraussetzung
dafür ist jedoch eine bauliche Qualität, wie
sie dem Platz angemessen, bisher aber noch kaum
zu sehen ist, und der Respekt vor dem erhaltenen
baulichen Erbe, den man in erschreckendem Maße
vermisst - nicht nur bei den zeitgenössisch
bauenden Architekten, auch bei den
Wiederaufbauwilligen. Der Bestandssicherung muss
eine deutlich größere Priorität zugewiesen
werden als bisher, nicht zuletzt durch Druck und
Würdigung seitens der Stadt.
Der hallesche Marktplatz bietet kein
geschlossenes Gesamtbild und dieses ist auch
nicht mehr herzustellen, aber in der Entdeckung
seiner gewachsenen Struktur mit zahlreichern
Zeugnissen verschiedener Zeiten liegt ein großes
Potenzial. Die Gestaltung dieses Platzes kann nur
als ein offener Prozess begriffen werden.
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