Südostecke
des Marktplatzes
Aufn.: Stadtarchiv
Nordseite des
Marktplatzes um 1900, zentral die Marktfassade
des Kühlen Brunnen, rechts davon der Blaue
Hirsch
Aufn. : Stadtarchiv |
Die auch jenseits
der Stadtgrenzen bekannteste Ansicht von Halle
ist die der Fünf Türme, die den Marktplatz
dominieren die beiden Turmpaare der
Marktkirche, überragt vom freistehenden Roten
Turm. Diese in Deutschland so nicht
wiederkehrende Silhouette begründet heute die
zentrale Bedeutung des Platzes in der Wahrnehmung.
Zudem ist der hallesche Markt in der weitgehend
erhaltenen mittelalterlichen Struktur der
Altstadt nach wie vor das tatsächliche Zentrum,
in höherem Maße als in manch anderer Stadt, als
Knotenpunkt des städtischen Nahverkehrs,
Kreuzung der Einkaufsstraßen, Handelsplatz, Sitz
der Verwaltung, kirchliches Zentrum und
Veranstaltungsort. Seine außerordentliche Größe
befähigt ihn grundsätzlich zur Aufnahme dieser
vielfältigen Funktionen, sein gegenwärtiges
Erscheinungsbild wird dem daraus erwachsenden
Anspruch jedoch im Ganzen nicht ausreichend
gerecht. Seit Jahren werden Projekte und Ideen
diskutiert, daran etwas zu ändern die Lösungsvorschläge
könnten teilweise gegensätzlicher kaum sein. Um
ihren Wert einschätzen zu können, ist es
notwendig, die wechselhafte Geschichte des
Platzes zu betrachten, die zu dem gegenwärtigen
Eindruck von Zerrissenheit geführt hat.
Der heutige Marktplatz liegt auf der Kreuzung
mehrerer alter Handelsstraßen, vor dem nördlichen
Tor der Stadt entwickelte sich der Marktverkehr
hier wahrscheinlich schon im 11.
Jahrhundert. Erst die Stadterweiterung um 1120
jedoch machte das Areal zum neuen städtischen
Mittelpunkt, der den Alten Markt ablöste. Die
Bebauung entwickelte sich entlang der Fernstraßen,
den westlichen Abschluss bildete die Marienkirche
mit ihrem Kirchhof. Im Unterschied zu anderen Städten
hat der hallesche Marktplatz also keine planmäßige
Anlage erfahren, was sich in der unregelmäßigen
Platzbegrenzung bis heute widerspiegelt.
Nach einem Stadtbrand 1312 wurde das Rathaus an
den Platz verlegt und daneben ein massiver
feuersicherer Archivturm zur Aufbewahrung der städtischen
Urkunden errichtet, dessen Fundamente bei archäologischen
Grabungen an der Nordostecke des Platzes in
diesem Jahr zu Tage traten. Die übrige Bebauung
bestand aus Bürgerhäusern und einer großen
Zahl von einfachen Verkaufsbuden, die wenig Platz
für den Verkehr ließen. Herausragendes Bauwerk
des 15. Jahrhunderts ist der Rote Turm, als repräsentativer
Glockenturm neben der Marienkirche erbaut.
Tiefgreifende Veränderungen im Aussehen des
Marktplatzes brachte das 16. Jahrhundert, nicht
zuletzt durch das Wirken Kardinal Albrechts. Er
ließ die hintereinander stehenden Kirchen St.
Marien und St. Gertrauden unter Verwendung der
beiden Turmpaare zu einer prächtigen spätgotischen
Hallenkirche umbauen. Die Buden wurden vom Rat
aufgekauft und abgerissen, die Platzfronten mit
neuen großen Bürgerhäusern bebaut. Mehrere
davon haben sich auf der Nordseite erhalten, das
sog. Marktschlösschen hat seine
Renaissancegestalt bis heute bewahrt. Von
besonderer Bedeutung ist das Stadtpalais des Hans
von Schönitz, der Kühle Brunnen, das sich als
großartiger Gebäudekomplex von der Marktfront
bis weit ins Innere des Quartiers erstreckt. Auch
die Ostseite veränderte ihr Aussehen, das
gotische Rathaus wurde durch den Ratsbaumeister
Nickel Hoffmann eindrucksvoll umgebaut und
daneben entstand unter Einbeziehung des
Archivturms das Wagegebäude. In dieser Gestalt
hat sich der Platz im wesentlichen bis ins 19.
Jahrhundert erhalten, Ausdruck bürgerlicher Repräsentation
und städtischen Selbstbewusstseins, stilistisch
in einer Blütezeit geprägt, die die Stadt so
nicht wieder erleben sollte. Fortsetzung
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