Waagegebäude,
Rathaus
Abb.: Stadtarchiv
Waagegebäude,
Rathaus, dahinter der 1930 errichtete Ratshof
Aufn.: Danz
Markttreiben am Fuße des Roten Turmes, 1938
Aufn.: Danz
Ratshof, 90er Jahre
Aufn.: AKI
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Spätestens nach
dem verheerenden Stadtbrand 1312 wurde beim
Wiederaufbau auch der politische Mittelpunkt der
Stadt auf den neuen Markt verlegt. An seiner
Ostseite entstanden der Ursprungsbau des späteren
Rathauses und die Heiligkreuzkapelle, in der
Folgezeit auch das ältere Waage-Gebäude. Diese
Bauten standen in einer Fluchtlinie, jedoch so
weit von den Budenreihen entfernt, daß hier
nochmals ein kleinerer freier Platz lag. Auf
diesem befanden sich unter anderem der Standort
des Rolands als Zeichen städtischer
Gerichtsbarkeit und die Gerichtsstätte, die von
Olearius »Berg« genannt wurde in Unterscheidung
zum »Talgericht« der Hallmarktsiedlung. Ob sich
damals tatsächlich eine Bodenerhebung an dieser
Stelle befand, ist ungewiß. Die Südfront dieses
Areals bildete der ab 1486 erbaute Ratskeller an
der Stelle des heutigen Stadthauses. Die so
geschaffene Situation schied den Marktplatz in
einen »politischen«, repräsentativen östlichen
und in einen vom Handel bestimmten westlichen
Teil. Diese Teilung wurde mit dem Abriß der
Buden aufgehoben. Zwischen 1418 und 1506
wurde in mehreren Etappen der Rote Turm als
Glockenturm der Marienkirche erbaut. Seine Lage
erscheint heute etwas unvermittelt auf dem Platz.
Die Rekonstruktionszeichnung läßt aber seine
Position zur Erbauungszeit deutlich werden: Er
hatte eine Art Torfunktion am nördlichen Zugang
zum eigentlichen Marktbereich zwischen Kirchhof
und Verkaufsständen.
Das
16. Jahrhundert brachte tiefgreifende Veränderungen
im Aussehen des Marktplatzes, nicht nur durch die
Beseitigung der Buden. Es war die Zeit der
kulturellen Blüte unter der Regierung Kardinal
Albrechts. Etliche der vorhandenen Gebäude
wurden durch Steinbauten ersetzt oder erweitert,
neue öffentliche und private Häuser erbaut.
Eine Wasserkunst zur Versorgung der Stadt wurde
samt einem Brunnen errichtet und schließlich der
großartige Umbau der beiden Kirchen St. Marien
und St. Gertrauden vorgenommen. Mit der Abtragung
des Schiffes der Marienkirche und der Aufhebung
ihres Kirchhofes erfuhr der Marktplatz eine
erhebliche Erweiterung nach Westen hin.
Aus
dieser Zeit ist der Umriß des Halleschen
Marktplatzes praktisch bis zum Ende des Zweiten
Weltkrieges erhalten geblieben. Im Aufriß
allerdings hat sich das Bild im Laufe der
Jahrhunderte stark gewandelt. Nur wenige der spätmittelalterlichen
und renaissancezeitlichen Gebäude stehen heute
noch. Die Gründerzeit hat viel von der einstigen
kleinteiligen Parzellenbebauung verschwinden
lassen. Aber auch die damals entstandenen
modernen Kaufhäuser mußten schon wenige
Jahrzehnte später Neubauten Platz machen, von
denen einer, das Kaufhaus »Am Markt«, bereits
wiederum einem Nachfolger zum Opfer gefallen ist.
1890/91 wurde der »Ratskeller«, das Stadthaus,
neu erbaut, 1859 das Händeldenkmal aufgestellt.
Die Reihe der baulichen Veränderungen und
Ausgestaltungen ließe sich fortsetzen.
Mit
dem Abriß des kriegsbeschädigten alten
Rathauses wurde der Marktplatz noch einmal
unfreiwillig deutlich vergrößert. Mit
Rathaus und Waage hat der Platz seine einzige
geschlossen konzipierte Baufront verloren. Als
neue Platzbegrenzung geblieben ist hingegen der
1930 als Hintergebäude errichtete Ratshof mit
seiner den Marktplatz durchaus gestalterisch
bereichernden Architektur.
In
den letzten Jahren hat der rege Marktbetrieb dem
Platz auch seinen ursprünglichen Sinn
wiedergegeben.
Grund-
und Aufriß des heutigen Marktes geben ein
beredtes Zeugnis von der langen und wechselhaften
Geschichte dieses Platzes als städtischer
Mittelpunkt, Handelsplatz und Verwaltungszentrum.
Dieses materielle Dokument gilt es zu bewahren.
Eine Neugestaltung schließt dies keineswegs aus.
Sie muß aber behutsam und mit Rücksicht auf das
Bestehende erfolgen und darf nicht ein Opfer
wirtschaftlicher Bedrängnis und halbherziger
Entscheidungen werden.
Der Hallesche
Marktplatz ist mehrfach, vor allem im 16. und im
19. Jahrhundert, sehr starken Wandlungen
unterworfen gewesen, die kaum auf die Bewahrung
des Alten ausgerichtet waren. Es ist aber nicht
zu vergessen, daß dies Zeiten wirtschaftlicher
Prosperität und kultureller Entfaltung waren,
die dem Überkommenen Eigenständiges und
Wertvolles entgegenzusetzen hatten.
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