Anlage des
mittelalterlichen Stadtkerns innerhalb der
Stadtmauer im Zentrum der Marktplatz (aus:
Atlas des Saale- und mittleren Elbegebietes)
Der hallesche Markt
um 1500 (aus: F. Schlüter, Die
Grundrissentwicklung der hallischen Altstadt)
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Bei der
derzeitigen Debatte um die Neugestaltung des
Halleschen Marktplatzes stoßen, stärker als
irgendwo sonst in der Stadt, Fragen nach der
Zweckmäßigkeit, der Ästhetik und dem
Denkmalschutz aufeinander. Der Streit um den
Wiederaufbau des ehemaligen Rathauses erscheint
geradezu als Kristallisationspunkt dieser
Problematik. Marktplatz und Rathaus sind seit der
Zeit der Errichtung ihrer ältesten Bauten neben
der Funktion als Handelsplatz bzw. Sitz der
Stadtregierung immer auch Repräsentationsobjekte
gewesen: Orte, an denen Stadt und Bürgerschaft
sich selbst darstellten. Insofern waren
Funktionalität und optische Wirkung von jeher
gleichberechtigte Anforderungen bei der Planung
und Gestaltung dieses Mittelpunktes städtischen
Lebens. Der Denkmalschutz ist demgegenüber ein
relativ neuer Aspekt. Er ergab sich vor allem
seit dem vorigen Jahrhundert aus der Tatsache, daß
die Erhaltung des Bestehenden nicht mehr
selbstverständlich und aus der Notwendigkeit
geboren war, als unter rationalem Gesichtspunkt
Neubauen zweckmäßiger und billiger zu werden
begann als Bewahren. Unter diesen Voraussetzungen
entstand das Erfordernis, der ökonomisch begründeten
vollkommenen Zerstörung des historisch
Gewachsenen entgegenzuwirken. Die daraus
entwickelte Forderung nach Schutz und Pflege
alter Bauten hat vor allem einen grundlegenden
Zweck: Die Bewahrung der Zeugnisse, die die
Geschichte des Ortes und der Menschen sichtbar
machen und in der Erinnerung späterer
Generationen bleiben lassen. Es kann dabei nicht
darum gehen, einen einzigen Zustand unveränderbar
zu konservieren. Ein wirklich »historisches«
Stadtbild entsteht vielmehr daraus, daß jede
Zeit ihre eigenen Spuren hinterläßt, ohne das
Alte zu vernichten, aber auch ohne es zu
imitieren. In diesem Sinne scheint es
angebracht, im Zuge der Überlegungen zur Zukunft
des Marktes vorerst die Geschichte dieses Platzes
zu rekapitulieren.
Gestalt
und Ursprung des Halleschen Marktplatzes sind für
einen mittelalterlichen Markt relativ außergewöhnlich.
Er entspricht weder der Frühform eines Straßen-
oder Dreiecksmarktes sie ist im Alten
Markt zu erkennen noch einer planmäßigen
Rechteckanlage, wie sie in den seit dem 12.
Jahrhundert auftretenden großzügigen
Stadterweiterungen anzutreffen sind. Der neue
Markt lag vor dem nördlichen Tor der Altstadt
des 11./12. Jahrhunderts, am Treffpunkt mehrerer
Handelsstraßen. Der Marktverkehr entwickelte
sich hier wahrscheinlich schon im frühen 12.
Jahrhundert, während die Stadterweiterung, die
den Marktplatz ins Stadtgebiet einbezog und ihn
zum Mittelpunkt machte, erst einige Jahrzehnte später,
der systematische Ausbau des Areals sogar erst im
13. Jahrhundert vonstatten ging. Von der planmäßigen
Bebauung des Stadtgebietes innerhalb des
Mauerrings blieb der Marktplatz somit weitgehend
unberührt. Die unregelmäßige Platzbegrenzung
spiegelt diesen Umstand bis heute wider. Die
Marktkirche St. Marien mit ihrem Kirchhof stellte
den westlichen Abschluß dar, die übrigen
Platzfronten wurden durch den Verlauf der
Fernstraßen bestimmt.
Abgesehen
von der Lambertikapelle westlich der Einmündung
von Kleinschmieden bestand die Bebauung des
Marktes wahrscheinlich weniger aus den Platz
umgebenden Steinbauten als vielmehr aus einfachen
Kaufhäusern und Buden auf dem Markt. Solche
Verkaufseinrichtungen sind bereits im 13.
Jahrhundert schriftlich belegt und lassen sich für
das 15. und 16. Jahrhundert relativ genau
rekonstruieren. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts
wurden aber diese Scharren, Krame und Garküchen,
die nur enge Durchlässe für den Verkehr boten,
als allgemeines Ärgernis empfunden und allmählich
vom Stadtrat zum Zweck des Abrisses systematisch
aufgekauft. Holzgebäude für einige Brot- und
Fleischschirnen wurden zwischen Brüder- und Großer
Steinstraße neuerbaut, im übrigen fand aber von
da an der Markt im wesentlichen unter freiem
Himmel, auf dem nun offenen Marktplatz statt. Der
Chronist Olearius kannte seinerzeit, im 17.
Jahrhundert, den Platz unterteilt in Fleisch-,
Fisch-, Bauer-, Holz-, Kraut-, Sau-, Korn-, Topf-,
Kranzmarkt usw.
Zu
dieser Zeit freilich umgaben den Markt bereits
zahlreiche große Bürgerhäuser. Schon seit dem
15. Jahrhundert sind etliche von ihnen bezeugt.
Nicht zuletzt das Repräsentationsbedürfnis
jener Anwohner mag dazu beigetragen haben, daß
die schlichte hölzerne Marktbebauung, die den
Blick auf die neuen Häuser versperrte, weichen
mußte. Fortsetzung
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