Offener
Brief an den Rektor, das Kuratorium und den Senat der
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Kopfschüttelnd bis entsetzt wird deutschlandweit im Rundfunk, in der überregionalen und regionalen Presse über die Pläne zum weiteren Ausbau des Wissenschaftlichen Innovationsparks am Weinberg in Halle und über die Gefahr berichtet, dass diesem ein medizin- und architekturhistorisches Denkmal sehr hohen Ranges geopfert werden könnte. "Die spinnen..." so die ansonsten doch gemäßigte Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 26.Mai 2003. Noch wird dabei der Name des Investors diskret verschwiegen. Es ist Prof. Dr. Wolfgang Lukas, Geschäftsführer des Technologie- und Gründerzentrums, der die EU-Mittel eingeworben hat. Stärkster Partner des TGZ III, das er errichten wird, ist wie schon beim Biozentrum die Martin-Luther-Universität. Für sie und die Stadt bedeutet das TGZ neue Arbeitsplätze, neue wissenschaftliche Herausforderungen und einen enormen Prestigegewinn auf wissenschaftlich technischem Gebiet. Daran muss allen Mitgliedern unserer Universität gelegen sein.
In nicht minderem Maße schmälert jedoch das Ansinnen, dafür die ehemalige Landesheilanstalt zu opfern, schon jetzt das kulturelle Image der Stadt. Noch sehr viel mehr Ansehen wird die Universität verlieren, wenn bekannt wird, dass die so traditionsbewusste Martin-Luther-Universität sich als Partner hinter dem Investor versteckt.
Der
oft erhobene Anspruch, das kulturell wissenschaftliche Zentrum
des Landes zu bilden, wird der Lächerlichkeit preisgegeben, wenn
das Dilemma aus wissenschaftlichem Fortschritt und
wissenschaftlicher Ethik nicht gelöst wird. Am besten so:
Errichtung des TGZ III an einem der alternativen Standorte,
Erhalt der Gebäude der ehemaligen Landesheilanstalt und ihre
Nutzung als multifunktionales wissenschaftliches und kulturelles
Dienstleitungszentrum. Halle hat sicher viele wirtschaftliche
Probleme zu bewältigen, doch Raumknappheit gehört auch in
diesem Falle nicht dazu. Es gibt Alternativen! Warum also soll
eines der bedeutendsten architektonischen Ensembles geopfert
werden? Oder zeichnet sich die Martin-Luther-Universität durch
weniger Sinn für den Wert historischer Tradition aus als die
sowjetische Militärverwaltung, die das Areal in Nietleben wohl
rüde genutzt, aber nicht zerstört hat. Wir, die
unterzeichnenden akademischen Bürger der
Martin-Luther-Universität, bitten Magnifizenz Prof. Dr. Wilfried
Grecksch, das Kuratorium und den Senat unserer Alma Mater alles
daran zu setzen, dass Wissenschaftskultur an der Universität und
in der Stadt sowie das historische Erbe durch einen Abriss der
ehemaligen Heilanstalt nicht weiter beschädigt wird.
"Zukunft mit Tradition" steht auf jedem Brief, der
unsere Universität verlässt!
Halle,
den 4. Juni 2003
Prof. Dr. Manfred Hettling, Institut für Geschichte