Halle streitet um Abriss der Königlichen Irrenanstalt

Proteste von Denkmalschützern / Wirtschaftsvertreter für Neubau


 

Halle. Mitte der Woche feierte man in Halle die Rettung des Stadtgottesackers. Die Freude über die Bewahrung der einzigarti­gen Friedhofsanlage vor dem Verfall wird jedoch bereits wieder vom Streit um ein an­deres ebenfalls bedeutsames Denkmal überschattet. Am kommenden Mittwoch entscheidet der Stadtrat über das Schicksal der ehemaligen Königlich-Preußischen Pro-vinzial-Irrenanstalt. Das Gebäude-Ensem­ble der einstigen Heilanstalt soll einem Hochtechnologiezentrum weichen.

Der Disput um die Zukunft der auch ar­chitekturgeschichtlich interessanten Anlage am westlichen Stadtrand hat erheblich an Schärfe zugenommen. In der Saalestadt spricht man von einer Machtprobe zwischen Vertretern des Denkmalschutzes und der Wirtschaft. Letzterer Experten sehen wohl keine Möglichkeit, die leerstehende schloss­artige Anlage zweckentsprechend zu nut­zen. Insbesondere Wolfgang Lukas, Direktor des Technologie- und Gründerzentrums (TGZ), plädiert deshalb für den schnellen Abriss. Er will auf dem reizvollen Platz das TGZ III mit dem Forschungsschwerpunkt „Nanostrukturierte Materialien" errichten. Bestärkt wird Lukas durch Halles Oberbür­germeisterin Ingrid Häußler (SPD) und eine Mehrheit im Planungs- und Wirtschaftsausschuss.

Prof. Dieter Dolgner vom Institut für Kunstgeschichte der Martin-Luther-Univer­sität warnt indessen vor einem irreparablen Kahlschlag. „Ich halte Kompromisse bei der Verwendungs-möglichkeit des Komplexes für denkbar", betonte der Wissenschaftler. Der Standort der ehemaligen Landesheilan­stalt wäre besser als jeder andere für einen zweiten Campus der Alma Mater geeignet. Dolgners Auffassung nach kann die Devise nur „TGZ III und Landes-heilanstalt" heißen.

„Es wäre ein Skandal, wenn die spät­klassizistischen Gebäude kurzfristig aus­gerichteten wirtschaftlichen Interessen ge­opfert werden", meint Christian Feigl vom Arbeitskreis Innenstadt. Auch in der Ar­chitektenkammer von Sachsen-Anhalt herrscht Unverständnis. „Für den Abbruch gibt es keinen zwingend sachlichen Grund", heißt es in einem Protestbrief an Halles Oberbürgermeisterin.           Bernd Lahne


Heruntergekommen, aber architekturgeschichtlich wertvoll: die ehemalige Königlich-Preußische
Irrenanstalt am Stadtrand von Halle.                                         Foto: Wolfgang Scholtyseck