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Wiederaufbau des Alten Rathauses – ja oder nein ?  
Seit einiger Zeit ist die Diskussion um den Wiederaufbau des 1945 durch Bomben beschädigten und 1946 durch Abriß endgültig verschwundenen Rathauses wiederaufgelebt. Da auch in unserem Verein die Meinungen geteilt sind, möchten wir hier zwei Positionen Raum geben, die das Problem von unterschiedlichen Seiten her darstellen.

Dr. G. Dienemann vom »Verein zur Wiedererrichtung des alten Rathauses e.V.« spricht sich für, U. Rühlmann gegen den Wiederaufbau aus.
 
  PRO:  

alt oder neu?
Montage: AKI





Waagegebäude, Rathaus, dahinter der 1930 errichtete Ratshof
Aufn.: Danz






Ratshof, 90er Jahre
Aufn.: AKI
Für viele hallesche Bürger tritt nach der Wende und den gesellschaftlichen Veränderungen die Frage nach einem der Stadt Halle würdigen Rathaus immer wieder ins Bewußtsein. Das 1316 errichtete spätgotische Rathaus mit Querbau, Ratskapelle, Turm und Verkündigungsloggia war für die Stadt Halle über 600 Jahre Mittelpunkt des städtischen Gemeinwesens und zugleich das repräsentative Zentrum.
Bis zu seiner Zerstörung nach einem Bombenangriff 1945, kurz vor Ende des Krieges, bildete das Rathaus mit dem benachbarten Waage-Gebäude die östliche Begrenzung des Marktplatzes als eines der stadtbildbestimmenden Bauwerke.
Trotz des hohen Zerstörungsgrades wäre es aber sowohl technisch als auch finanziell möglich gewesen, das Rathaus wieder aufzubauen. In anderen Städten Deutschlands sind gleichgeartete Gebäude mit Sachverstand liebevoll wieder errichtet worden.
Ganz anders war die Situation in Halle nach 1945 – in der damaligen sowjetischen Besatzungszone –, wo bürgertumsfeindliche Auffassungen die Grundlage der Entscheidungen waren. So gab ein Gutachten des Architekten Prof. Henselmann, der den damaligen Machthabern sehr nahe stand, den Ausschlag, das Rathaus als »Ausdruck der bürgerlichen Repräsentanz« der Stadt Halle nicht wieder aufzubauen und bis zum Terrain abzubrechen. Es ist zu vermuten, daß die Fundamente und Teile des Kellermauerwerks unter der Marktplatzebene noch vorhanden sind.

Nun stellt sich die Frage, ob eine Stadt wie Halle, mit einer über 1000 Jahre alten Geschichte es nicht verdient hat, das zerstörte Rathaus wieder neu aufzubauen. Das setzt natürlich voraus, daß zu dieser komplizierten Problematik eine städtebauliche Auseinandersetzung geführt wird und das Wollen zu einer solchen Entscheidung vorhanden ist.
Interessierte Bürger der Stadt Halle haben im Mai 1997 einen »Verein zur Wiedererrichtung des alten Rathauses e.V.« gegründet, der sich zur Aufgabe gestellt hat, das Anliegen der Wiedererrichtung des alten Rathauses ins Bewußtsein der halleschen Bürger zu bringen und die Auseinandersetzung mit dem Ziel zu führen, vielleicht doch in den nächsten Jahren das alte Rathaus in neuem Glanz, in einem maßvollen städtebaulichen Bezug zu bestehenden und anderen geplanten Gebäuden entstehen zu lassen.

 
  CONTRA:







Der Verlust des Alten Rathauses ist für Halles Marktplatz sicher sehr schmerzlich. Jetzt scheint sich die Chance zu bieten, diesen Tag im Frühjahr 1945 ungeschehen zu machen und das Rathaus wieder auferstehen zu lassen. Warum nicht?

Überlegungen, Verlorenes wieder herzurichten und Zerstörtes wieder aufzubauen, gibt es derzeit in mehreren Städten im Osten Deutschlands, in denen in den Nachkriegsjahren entweder das Geld oder aber – öfter noch – der Wille zu solchen Rekonstruktionen fehlte. Ob es in Dresden um die Frauenkirche oder in Berlin um das Schloß geht, nirgendwo sind die Meinungen ungeteilt. Sind die Ablehner etwa einige alte Uneinsichtige, die wie Henselmann »bürgerliche Repräsentanz« fürchten oder haben nicht vielmehr die Befürworter vergessen, daß seither 50 Jahre vergangen sind, in denen man mit den neuen Platzverhältnissen gelebt hat? Die Kopie eines lange zerstörten Gebäudes zu errichten zeugt von einer Sehnsucht nach dieser vergangenen Zeit, die – wie jede Vergangenheit – immer viel besser war. »… wer das eigentlich Verschwundene wiederaufbaut, leugnet die Geschichtlichkeit der Welt«, sagt Prof. G. Kiesow, ein erfahrener Denkmalpfleger, in einem Interview mit dem FAZ magazin (32/97).

Was soll im Falle des Wiederaufbaus mit dem Grundstück der »Waage« geschehen – beide bildeten zusammen eine geschlossene Front. Sollte es ebenfalls wieder in Kopie errichtet werden?
Haben die Befürworter des Wiederaufbaus eventuell bloß kein Vertrauen in die neue Architektur? Dieses Mißtrauen ist durchaus berechtigt – gemessen an den bisher zu bestaunenden halleschen Neubauten im »Investorenstil«. Es wird jedoch sehr bedenklich, sobald sich führende Politiker der Stadt bei den Resignierten einreihen – sollten diese nicht lieber ihren Einfluß darauf verwenden, wirklich innovative Architektur für Halle zu erreichen (nicht nur am Markt)?

Der Marktplatz ist zur Zeit an 6 Tagen der Woche ein lebendiger Ort, der keinesfalls ein Gefühl der Leere auf einem »zu großen« Platz aufkommen läßt, von den zu ruhigen Abendstunden und Wochenenden abgesehen, die sich aber weniger durch ein dann ebenfalls geschlossenes Verwaltungsgebäude als vielmehr durch eine größere Zahl von Cafés und Restaurants beleben ließen (eventuell könnte man sogar das italienische Monopol am Markt brechen?).