Marktplatz mit den Hausmannstürmen (Aufnahme:
AKI-Archiv)
Schnittzeichnung der Türme, Nord-Süd-Richtung
(J. Kowalski)
Nordturm, Hohlraum mit barocken Holzankern,
Stahlträgern und innerem Wendelstein
(Aufn.: J. Kowalski)
Turm-Zwischenbau, Holzanker von 1851/52 und
Stahlfachwerk von 1934
(Aufn.: J. Kowalski)
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Die fünf Türme
auf dem halleschen Marktplatz sind das
Wahrzeichen der Stadt. Zwei dieser Türme, die
Hausmannstürme der Marktkirche, waren über eine
längere Zeit eingerüstet. Zum Jahresende werden
die Sanierungs- und Umbauarbeiten an den beiden Türmen
abgeschlossen sein. Nachdem die Türme der
Marktkirche nach längerem Rechtsstreit dem Bund
zugeordnet wurden, leitet das Hochbauamt der
Stadt Halle die derzeitigen, umfangreichen
Bauarbeiten in dessen Auftrag.
Vor dem Beginn der Bauarbeiten erfolgten
umfangreiche Voruntersuchungen. Architekten,
Chemiker, Geologen, Statiker und viele andere
Spezialisten bereiteten die anspruchsvolle
Bauaufgabe detailliert vor.
Seit längerem waren die Hausmannstürme aus
Sicherheitsgründen für die Öffentlichkeit
gesperrt. Nicht nur die Brücke zwischen den Türmen
hoch über der Stadt zeigte erhebliche Schäden,
sondern auch das Mauerwerk wies Risse auf und war
durch Witterungseinflüsse in seinem Bestand
bedroht. Insbesondere im Inneren des Südturmes,
der für die Öffentlichkeit bisher nicht zugänglich
war, hatten die Schäden ein Ausmaß erreicht,
welches ein sofortiges Handeln erforderte. Neben
diesen Umwelteinflüssen haben die besonderen
Bedingungen beim Neubau der halleschen
Marktkirche von 1529 bis 1554 bis heute
Auswirkungen auf die derzeitige statisch-konstruktive
Problematik. Ursprünglich standen auf dem Gelände
zwischen Marktplatz und Hallmarkt zwei kleinere
Kirchen - St. Gertruden im Westen und St. Marien
im Osten. Zuerst brach man diese Kirchen ab. Nur
die Türme blieben erhalten (die Blauen Türme
zum Hallmarkt und die Hausmannstürme zum
Marktplatz hin). Zwischen den beiden Turmpaaren
entstand das dreischiffige Hallenlanghaus. Die Türme
wurden durch achteckige Aufsätze aus Ziegeln erhöht,
so daß die Hausmannstürme vom Boden bis zur
Turmspitze ca. 58,50 m messen. Schon während
dieser massiven Eingriffe gab es mit Sicherheit
problematische Zwischenbauzustände. Auch die mit
der Turmerhöhung verbundenen Lastumlagerungen
blieben nicht ohne Folgen. Aus diesen Gründen
wurden die beiden großen Strebepfeiler zum Markt
hin schon während der ersten Bauphase eingebaut.
Es ist davon auszugehen, daß die Holzanker in
den Hausmannstürmen und im Zwischenbau ersten
barocken Reparaturphasen zuzuordnen sind. Seitdem
wurden immer wieder Versuche unternommen, die
statisch-konstruktive Situation der Türme zu
verbessern.
Die erste grundlegende Sanierung der Hausmannstürme
erfolgte 1851/52, nachdem die Steinbrücke
zwischen den Türmen 1837/38 durch eine hölzerne
ersetzt worden war. Im Zuge dieser Arbeiten
wurden die Fundamente verstärkt, die beiden
kleinen Strebepfeiler an der Ostseite und weitere
horizontale Anker eingebaut. Bereits 1881/82 kam
es zum Einbau weiterer Anker und dem Auftrag von
Zementmörtel auf der Fassade, der sich für das
Mauerwerk als überaus schädlich erwies.
1934 fand im unmittelbaren Anschluß an die
statisch-konstruktive Sicherung der Blauen Türme
die zweite umfassende Sanierung der Hausmannstürme
statt. Der Zementputz von 1882 wurde wieder
vollständig entfernt und desolate Sandsteine der
Außenschale durch Kalkstein ersetzt. Die
horizontale Aussteifung verbesserte man durch
weitere Anker in den Türmen und den Einbau stählerner
Fachwerkkonstruktionen im Zwischenbau. Die
stufenweise »Ertüchtigung« der statisch-konstruktiven
Situation der Hausmannstürme in den letzten
Jahrhunderten ist auch aus technikgeschichtlicher
Sicht von Interesse. Tendenzen und Methoden der
technischen Denkmalpflege in unterschiedlichen
Zeiträumen lassen sich hier, wie selten bei
einem Denkmal, exemplarisch ablesen. Der
schwerwiegendste Eingriff bei den
Sanierungsarbeiten 1934 war jedoch der Einbau
eines neuen Wendelsteines im Nordturm aus Granit,
der in einer »Röhre« aus Klinkern, gewissermaßen
in einem »Turm im Turm« untergebracht worden
ist. Im völlig hohlen Südturm sanierte man die
Mauerschäden (Fehlstellen und Risse) aus
Kostengründen nicht.
Ziele der derzeitigen Arbeiten an den Hausmannstürmen
sind die Instandsetzung des Äußeren und die
Schaffung aller Voraussetzungen, um die Türme
wieder für die Öffentlichkeit zugänglich zu
machen. Erstmals wird der obere Teil des Südturmes
in die umfassende Sanierung einbezogen. Grundsatz
bei allen anstehenden Arbeiten ist es, die durch
die mannigfaltigen Umbauten beeinträchtigte
Originalsubstanz und die späteren Einbauten und
Sicherungen als bauhistorische Dokumente zu
bewahren.
Die Werksteine der Außenhaut wurden behutsam überarbeitet
und partiell ergänzt. Nach dem Einrüsten der Türme
zeigte sich, dass der 1934 eingebaute Kalkstein
im Gegensatz zu dem älteren Sandstein in großen
Bereichen bereits wieder erodiert war. Aus diesem
Grund wurden extrem zerstörte Kalksteine durch
Sandstein ersetzt. Während dieser Arbeiten trat
auch zutage, daß jüngere, vorgeblendete
Werksteinschalen nicht bzw. nur völlig ungenügend
im dahinterliegenden Mauerwerk rückverankert
waren. Diese Steine mußten nun Stück für Stück
verankert werden. Für eine weitere Überraschung
sorgten Betonschalen, die beim Putz abnehmen an
den oberen oktagonalen Turmteilen sichtbar wurden.
Diese ca. 10 cm starken, bewehrten Schalen aus
dem Jahre 1934 zeigten Risse. Da der Abbau der
Betonschalen ohne die Zerstörung des
historischen Mauerwerkes nicht möglich gewesen wäre,
entschloß man sich zu einer aufwendigen
Betonsanierung.
Die oberen Turmteile erhalten einen zweilagigen
Glattputz, so wie er von jeher an den Hausmannstürmen
zu sehen war. Die extrem erodierten Bruchsteinflächen
im Sockelbereich werden mit einem Schlämmputz überzogen,
ähnlich wie er bereits an den Strebepfeilern des
Kirchenschiffes vorhanden ist. Die Restaurierung
des Lutherdenkmales bildet den Abschluß der
Arbeiten an der Fassade.
Die Umbaumaßnahmen im Inneren werden für den
Besucher am augenfälligsten sein. Durch die
Instandsetzung der Brücke, die Erneuerung der
Geländer von Brücke und Umgängen sowie den
Einbau zusätzlicher, für den Besucher
unsichtbarer Queranker in Brückenhöhe wurden
die Voraussetzungen für die öffentliche
Erschließung der Türme geschaffen.
Um den schmalen Wendelstein im Nordturm zu
entlasten, wird zusätzlich eine stählerne
Wendeltreppe im Südturm eingebaut. Beim Begehen
dieser freitragenden, modernen Konstruktion sind
die historischen Befunde an den nur behutsam
gereinigten Wänden ablesbar. Ein großes
Glasfenster ermöglicht dem Besucher den Blick in
den imposanten Dachstuhl des Kirchenschiffes.In
Zukunft werden die Besucher über einen »Stauraum«
im Zwischenbau über der Sakristei in den Südturm
gelangen. Durch die ehemalige Türmerwohnung führt
eine kleine, stiegenähnliche Stahltreppe zur Brücke.
Von hier aus kann man den Blick über die Stadt
genießen. Der »Alte Wendelstein« des
Nordturmes führt dann abwärts zum Marktplatz.
Aus Sicherheitsgründen werden die Hausmannstürme
nur für eine begrenzte Personenzahl zugänglich
sein. Eine Brandschutzwand trennt den Zwischenbau
vom Kirchenschiff ab. Als zusätzliche Sicherung
werden Telephone und Rauchmelder vorgesehen.
Die zu Ende gehenden Arbeiten zur Sanierung der
Hausmannstürme waren nur durch die
vertrauensvolle Zusammenarbeit von Bauherrn,
Denkmalfachbehörden, Planern und Bauhandwerkern
zu verwirklichen.
Im Jahre 2000 werden die Arbeiten an den Blauen Türmen
der Marktkirche fortgesetzt. Hier werden sich die
Arbeiten aufgrund der baulichen Besonderheiten
und der schweren Schäden noch komplizierter
gestalten als an den Hausmannstürmen.
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