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Sanierung von Universitätsgebäuden in der halleschen Innenstadt

H. Löhr




Das Magazingebäude der UB mit Lesesaal, um 1880
(Aufn.: Stadtarchiv)



































Die "Tulpe" vor der Rekonstruktion des Satteldaches
(Aufn.: W. Schönfeld)




Hof der Wirtschafts-
wissenschaften mit Anbau
(Aufn.: G. Schütze)




Das Physikalische Institut am Friedemann-Bach-Platz
(Aufn.: Stadtarchiv)








Mühlweg 15: Orientwissenschaftliches Zentrum der MLU
(Aufn.: G. Schütze)
Seit ihrer Gründung prägt die Universität das Stadtbild mit. Zahlreiche Gebäude wurden im Laufe der Zeit für sie errichtet oder nachträglich für eine universitäre Nutzung umgebaut. In den letzten Jahren sind eine Reihe von Sanierungen erfolgt. Das Ergebnis ist insgesamt beachtlich und die Liste der hier angeführten Beispiele keineswegs vollständig.[1]

Mit der Fertigstellung des Löwengebäudes in diesen Tagen ist die Sanierung der Gebäude am Universitätsplatz weitestgehend abgeschlossen, die 1991 mit der Dach- und Fassadenrenovierung des damals am schwersten gefährdeten Robertinums begonnen hatte. Es folgten das Verwaltungsgebäude (1992/93), das Thomasianum (1993/94), welches sein Satteldach wiedererhielt, und das Melanchthonianum (1995 – 98), die beiden letzteren auch mit fast vollständiger Sanierung im Inneren, durch die besonders der vorher schäbig wirkende Hörsaalbau wieder sehr ansehnlich geworden ist. Ergänzend zum neugebauten Juridicum wurde 1992/93 auch das angrenzende gründerzeitliche Fabrikantenhaus Universitätsplatz 6 für die Juristische Fakultät wiederhergestellt. Besondere Sorgfalt hat natürlich das Löwengebäude als zentraler Identifikationspunkt der Universität erfahren. Erlebbar wird der Eindruck wiederhergestellter Farbfassungen in der Aula und im Treppenhaus aber erst nach der Universitätsausstellung »Emporium« am Ende des Jahres sein – Ausstellungsarchitektur und -beleuchtung werden vorerst eine Verfremdung bewirken.

Ebenso gründlich und unter Berücksichtigung zahlreicher Details sowie unter Rekonstruktion aufwendiger Farbfassungen wurde das Hauptgebäude der Universitäts- und Landesbibliothek 1995 – 99 innen und außen denkmalgerecht restauriert, wozu eine eigene Publikation erschienen ist.[2] In die Sanierung einbezogen wurde auch das ebenfalls von der ULB genutzte gegenüberliegende Gebäude des ehemaligen Oberbergamtes. Die oft problematische Erfüllung von modernen Nutzungsanforderungen in historischen Räumen ist hier hervorragend gelungen.

An der Ecke zum Kaulenberg wird der Universitätsplatz vom Gebäude des ehemaligen Gasthofes »Zur Tulpe« abgeschlossen. Im Kern stammt dieses von 1871, wird aber durch einen großen Anbau von 1928 zum Platz hin geprägt. Bereits seit 1919 wurde es von der Universität als akademische Speiseanstalt genutzt.[3] Bei der umfassenden Wiederherstellung 1998 bis 2000 wurde das steile Satteldach rekonstruiert. Auch die Gebäudeecken erhielten wieder Betonung durch turmartige Aufsätze. Da aber auch die Giebelseite nicht mehr ihre ursprüngliche üppige Neorenaissancegliederung aufweist, war die Wahl von modernen Formen eine folgerichtige und glückliche Entscheidung.

Auch der wichtige Kreuzungsbereich Curieplatz/Große Steinstraße/Hansering hat nach der Sanierung von zwei gegenüberliegenden Universitätsbauten, der Zahnklinik im ehemaligen Bankhaus Lehmann und der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät im vormaligen Hotel »Stadt Hamburg«, seine würdige Gestalt zurückerhalten. Der umfangreiche Komplex des Hotels wurde in mehreren Bauabschnitten zwischen 1857 und 1871 erbaut.[4] Seit 1952 wird er von der Universität genutzt, seit 1955 hat diese die Rechtsträgerschaft über das Gebäude. Die viele Jahre währende Sperrung des wichtigen Fußweges entlang der Fassade am Hansering – zum Schutz vor bröckelndem Putz – war augenfälliger Ausdruck für die Kapitulation vor dem Verfall im Halle der 80er Jahre. Zwischen 1994 und 1999 erfolgte die Sanierung durch die Universität. Die am Erscheinungsbild italienischer Renaissancepaläste orientierte Fassade mit ihrer Putzquaderung und klaren Fenstergliederung kommt seitdem wieder voll zur Geltung. Im Hof ist ein neuer Anbau zur Aufnahme und Erschließung der Bibliothek entstanden, der mit seiner Glasfassade einen belebenden neuen Akzent setzt. Der einstige Ballsaal im Obergeschoß des Hofgebäudes dient jetzt als Lesesaal, wobei die in Rokokoformen gehaltene Gestaltung von 1895 – Deckenstuck, Empore und geätzte Fenster – soweit wie möglich wiederhergestellt wurde. Im Eingangsbereich in der Steinstraße ist die Ausstattung aus dem Jahre 1926 erhalten geblieben. Dienstzimmer und Seminarräume fügten sich offensichtlich zwanglos in die Hotelzimmerstruktur. Sie sind modern eingerichtet, auf den Fluren aber reihen sich noch die alten Zimmertüren, erinnern an den ursprünglichen Zweck des Hauses.

Ein weiteres für Instituts- und Bibliothekszwecke umgenutztes Gebäude ist die Villa am Mühlweg 15. Im Jahre 1902 für den Rechtsanwalt und Notar Dr. Hermann Kaehne gebaut, wurde sie nach mehreren Besitzerwechseln ab 1945 Gästehaus des Rates des Bezirkes und ab 1967 der Universität, die seit 1973 auch Besitzer des Gebäudes ist. [5] Nach der umfassenden Renovierung zwischen 1999 und 2001 ist die Villa jetzt Sitz des Orientwissenschaftlichen Zentrums und des Sondersammelgebietes Vorderer Orient/Nordafrika der Universitätsbibliothek. Im Straßenbild fällt das Haus durch die ungeheure Vielgestaltigkeit seiner Bauformen auf – zahlreiche Giebel, Türme, Erker und Fensterbögen in romanischen, gotischen und Renaissanceformen. Die Fülle der Details bedeutete für die Sanierung einen erheblichen Aufwand – das Ergebnis läßt keinen Zweifel, daß sich dieser gelohnt hat. Im Inneren ist besonders das Treppenhaus bemerkenswert, dominiert durch das dunkle Holz der Treppen und Türen der Erbauungszeit. Umbauten aus den zwanziger Jahren im Bereich des heutigen Lesesaals im Erdgeschoß folgen dieser Optik mit eigener Formensprache und auch die neuen Türen im ausgebauten Dachgeschoß passen sich mit zeitgemäßem Design an. Der Zuwachs der Bibliothek wird es wohl in einigen Jahren notwendig machen, einen Anbau im Hof der Villa zu errichten. Auch wenn dafür sicher eine architektonisch befriedigende Lösung gefunden werden kann, bleibt die bauliche Verdichtung des großzügigen Villenareals städtebaulich problematisch.

In die Dachritzstraße 12 sind 2001 die Institute für moderne Sprachen eingezogen (Anglistik/Amerikanistik, Romanistik, Slavistik). Das Gebäude wurde nach jahrelangem Leerstand von der Frankonia Wohnbau GmbH saniert und von der Universität angemietet. Anfang des 20. Jahrhunderts erbaut, beherbergte es ursprünglich die Druckerei der an der Ecke zur Großen Ulrichstraße ansässigen »Hallischen Nachrichten«, später der »Freiheit« und der »MZ«, bis der DuMont-Verlag den Gebäudekomplex 1992 aufgab. Die Druckereisäle sind für Bibliothekszwecke hervorragend geeignet. Eingang und Treppenhaus befinden sich auch hier in einem modernen Anbau im Hof. Das Ergebnis ist in der Raumkonzeption großzügig, in der Materialwahl von Zweckmäßigkeit bestimmt, die dem Charakter des Baues aber nicht unangemessen ist.

In beiden zuletzt beschriebenen Fällen wurden gleichzeitig sinnvolle Struktureinheiten geschaffen, die verwandte Fachgebiete räumlich zusammenfassen, wobei die Größenordnungen dennoch überschaubar bleiben und sich ein eigener Institutscharakter ausprägen kann. Durch diesen Ansatz der Wiederherrichtung bestehender, in allen genannten Beispielen denkmalgeschützter Gebäude hat die Universität bereits viel zur Belebung der Innenstadt und zur Verbesserung des Stadtbildes beigetragen. Für Privatnutzer schwer zu vermarktende Gebäude konnten durch öffentliche Nutzung vor Leerstand und Verfall bewahrt werden. Dieser erfolgreiche Weg sollte fortgesetzt werden. Das schließt ergänzende Neubauten, wie das bemerkenswerte Juridicum oder – obwohl problembehaftet – das Händelhauskarree für die Musikwissenschaften nicht aus. Weiteren großen innerstädtischen Neubauvorhaben sollten aber intensive Überlegungen zur Umnutzung bestehender Bauten vorangehen. Das Bestreben der Universität, zahlreiche verstreute Villen im Paulus- und Mühlwegviertel abzugeben, ist dabei freilich vollkommen nachvollziehbar und sinnvoll. Eine Lösung muß allerdings dringend für die Lehmannsche Villa gefunden werden, die in ihrer Großartigkeit und städtebaulichen Wichtigkeit keinesfalls dem Verfall preisgegeben werden darf, es aber wohl schwer haben wird, einen Käufer zu finden.

In absehbarer Zeit werden auch naturwissenschaftliche Institutsgebäude in der Innenstadt frei, die einer Nachnutzung bedürfen. Die neue Residenz soll dabei nach dem Umzug der Geowissenschaften in die ebenfalls sanierte Heidekaserne die naturwissenschaftlichen Sammlungen der Universität aufnehmen. Frei wird auch der eindrucksvolle Bau des Physikalischen Instituts am Friedemann-Bach-Platz, wenn auch dieser Fachbereich in die Heidekaserne umgezogen sein wird. Anfang der 90er Jahre gab es Überlegungen, hier die Institute für Geschichte und Kunstgeschichte anzusiedeln – beziehungsreich in unmittelbarer Nachbarschaft zur Moritzburg mit dem Landeskunstmuseum, woraus sich zweifellos enge Verknüpfungen ergeben würden.

Für andere geisteswissenschaftliche Institute, die sich bisher in unbefriedigender Lage an der Peripherie befinden, wären ähnliche Lösungen denkbar; im Bereich zwischen Moritzburg und Domplatz liegen weitere naturwissenschaftliche Institute, die früher oder später umziehen sollen. Diese Gebäude verkörpern Universitätsgeschichte [6] und dominieren eine ganze Achse der halleschen Altstadt. Eine andere Nutzung als durch die Universität ist kaum vorstellbar. Favorisiert wird aber momentan ein anderes Projekt: der Neubau eines Zentrums für Geisteswissenschaften auf der Spitze. Würde ein Großteil dieser Fächer dort konzentriert, bliebe die Zukunft der alten Institutsgebäude offen. Auch die Dachritzstraße 12 würde ihrer derzeitigen Nutzung wieder beraubt. Die erwartete Belebung durch Ballung zahlreicher Fächer in einem knapp berechneten Großinstitut bleibt zweifelhaft. Zumindest ist die Wirkung nicht geringer, wenn eigenständige Institute in räumlicher Nähe miteinander kommunizieren. Überschaubare Größen schaffen Individualität, Identifizierungsmöglichkeiten für Studenten und Spielraum für eigenständige organisatorische Lösungen, alles Faktoren, die gerade im geisteswissenschaftlichen Bereich sehr zur Attraktivität eines Studienstandortes beitragen. Als Lückenfüller für die städtebauliche Panne auf der Spitze ist die Universität zu wertvoll.
Es bleibt zu hoffen, daß diese planerischen und kulturellen Erwägungen sich gegenüber (in der Bilanz zweifelhaften) Einsparerwartungen weiterhin durchsetzen werden und die Universität auch nach ihrem Jubiläumsjahr das fortsetzt, was sie bisher oft beispielhaft praktiziert hat.

Anmerkungen:

1   Die Gestaltung des Universitätsplatzes wird in der folgenden Ausgabe besprochen.

2   Die denkmalpflegerische Restaurierung des Hauptgebäudes der Universitäts- und Landesbibliothek. Hrsg: W. Müller und H. Schnelling, Halle 2000.

3    Zu diesem und den anderen Gebäuden am Universitätsplatz s. A. Dolgner, Die Bauten der Universität Halle im 19. Jahrhundert. Halle 1996, S. 50-83, 103-112.

4   Ausführlich zur Geschichte dieses Gebäudes s. D. Dolgner und B. Günther, Das Hotel Stadt Hamburg. In: Historische Gasthäuser der Stadt Halle/Saale. Hrsg.: Freunde der Bau- und Kunstdenkmale Sachsen-Anhalt e. V., Halle 1999, S. 85-94.

5   Ausführlich zur Geschichte dieses Gebäudes s. A. Händler, Villa Kaehne. In: Historische Villen der Stadt Halle/Saale. Hrsg.: Freunde der Bau- und Kunstdenkmale Sachsen-Anhalt e. V., Halle 1998, S. 91-98.

6   s. A. Dolgner, Die Bauten der Universität Halle im 19. Jahrhundert. Halle 1996, S. 113-117, 135-148