Ansicht von hinten
(Aufn.: C. Feigl)
Stuckdecke im 1. OG
Mittelstr. 18
(Aufn.: C. Feigl)
|
Wir
haben in den letzten Jahren immer wieder über die
Mittelstraße 17/18 geschrieben und auch heute läßt uns
das Thema nicht los. Seit nunmehr zwei Jahren hat sich
wenig an der Situation geändert und es ist doch soviel
geschehen. Die Häuser gehören immer noch Hans-Gerd
Mühe, dem mittellosen Investor aus Peine, der sie lieber
heute als morgen abreißen will und daher seinem
Abrißantrag mit einer Klage gegen die Stadt Nachdruck zu
verleihen sucht. Seinen Pflichten als Eigentümer zur
Sicherung der Baudenkmale (und auch der Passanten) ist er
bisher nicht nachgekommen. Diese haben bisher nur das
Ordnungsamt der Stadt und in ganz erheblichem Maße die
Interessengemeinschaft Mittelstraße übernommen. Auch
auf die verhängten Zwangsgelder wartet man bei Herrn
Mühe vergebens, konnte er doch der Stadt Peine, die die
hallesche Stadtverwaltung zwecks Amtshilfe angerufen
hatte, glaubhaft versichern, daß er mittellos und somit
nicht pfändbar ist. Wovon er den Abriß, geschweige denn
eine Neubebauung finanzieren will, bleibt allein sein
Geheimnis. So ist es
nur folgerichtig, daß er bereits vor 2 Jahren seine
Bereitschaft signalisierte, die Häuser an die Stadt oder
an Dritte zu veräußern. In Folge der von den Vereinen
Arbeitskreis Innenstadt und Freunde der Bau- und
Kunstdenkmale e.V. initiierten Presse-
konferenz im November 1999 kam es zu
Vermittlungsgesprächen zwischen der Stadtverwaltung,
Herrn Mühe und einer Gruppe hallescher Familien (IG
Mittelstraße). Letztere bekundeten Interesse, die
Häuser zu sanieren, um später in ihnen zu wohnen und
Gewerbe zu treiben.
Eigentlich müßte sich der Knoten an dieser Stelle
lösen, aber wie so häufig scheiterte bisher alles am
Geld. Je mehr sich die Stadt mit Andeutungen nach vorn
wagte, auch den Ankauf finanziell zu fördern, desto mehr
roch Herr Mühe den Braten und erhöhte seine
Forderungen. Stolze 660.000 Mark will er nun haben
ein gutes Geschäft, bedenkt man, daß er nur ca. 350.000
DM dafür gezahlt hat. Erschwerend kam hinzu, daß sich
die Stadt über mögliche Modalitäten einer
Kaufpreisbezuschussung uneins war.
Zwei lange Jahre vergingen mit Verhandlungen, dem Rechnen
mit verschiedenen Fördertöpfen, Abwägungen, ob
Pachtvertrag oder Verkauf günstiger wäre, sowie
Überlegungen, welche Rechtsform die
Interessengemeinschaft haben sollte und natürlich, ob
deren Eigenanteil (in Arbeits- und
Eigenkapitalleistungen) für die Sanierung reicht.
Im April dieses Jahres lag dann nun ein Vorschlag vor,
mit dem alle zufrieden waren: die Stadt sollte von Herrn
Mühe die Häuser für 660.000 DM ankaufen und diese dann
für eine Mark an die IG Mittelstraße weiterverkaufen
unter der Bedingung daß die Gemeinschaft in den
nächsten sieben Jahren eine Sanierung im Umfang von zwei
Millionen Mark durchführt, ohne städtische
Fördermittel in Anspruch zu nehmen.
Angesichts der Tatsache, daß Herrn Mühe rund eine
Million Mark aus dem Fond »städtebauliche
Sanierungsmaßnahmen« für eine denkmalpflegerisch
zweifelhafte Sanierung in Aussicht gestellt waren, ein
guter Deal für die Stadt, bedient sie sich doch nur
allzu gern selbst aus diesem Topf.
Doch die Rechnung war ohne den Stadtrat gemacht worden.
Denn der hat das letzte Wort und dieses kam vom
SPD-Fraktions-
vorsitzenden Prof. Dieter Schuh, im Hauptberuf
Immobilienverwerter. Um keinen Präzedenzfall zu
schaffen, meint er, daß der Verkaufspreis von nur einer
Mark nicht angemessen wäre: »Das können wir der
Öffentlichkeit nicht erklären«. (Und er weiß
schließlich, wovon er spricht, hat er doch 1996 das
Steintor für eine Mark erworben und für die Sanierung
großzügige städtische Fördermittel in Anspruch
genommen.)
Eilig wurde daraufhin von der Wirtschaftsförderung ein
neues Modell entworfen: ein Erbbaupachtvertrag. Der ist
schließlich viel günstiger für die Stadt. Bei 4
6% Pachtzins fließt über eine Laufzeit von 75 Jahren
gut das Doppelte des derzeitigen Kaufpreises zurück.
Fördermittel werden nicht gewährt und nach Ablauf der
Pachtzeit soll alles an die Stadt zurückfallen, zum
Nulltarif. Investiert werden soll natürlich weiterhin in
vollem Umfang.
Es wird dabei übersehen, daß dadurch das mühsam
aufgestellte Finanzierungskonzept der IG Mittelstraße
zusammenbricht, weil die Hausbank nicht einfach die
Finanzierungszusage für den Kauf auf ein Pachtmodell
überträgt. Ebenso fielen z.B. die fiskalischen Vorteile
bei der Altersvorsorge oder der Staatlichen Förderung
bei der Schaffung von Wohneigentum und viele andere
kleine Bausteine der Finanzierung weg.
Der größte Trugschluß ist jedoch die Vorstellung,
Sanierung und Nutzung der Mittelstraße 17/18 seien ein
lohnendes Geschäft. Der Zustand der Gebäude ist bereits
jetzt so schlecht und der Aufwand, diese wieder nutzbar
zu machen, so beträchtlich, daß dies nur mit einem
hohen Maß an Idealismus und Eigenleistung realisierbar
ist. In manchen vergleichbaren Fällen wurde von den
Eigentümern wirtschaftliche Unzumutbarkeit als
Abrißgrund geltend gemacht und sie genossen vollstes
Verständnis dafür. Auch Herr Mühe bräuchte sich kaum
um die Abrißgenehmigung zu sorgen, wenn die
Verhandlungen scheitern. Der Interessengemeinschaft aber
wird unterstellt, sie würde Vermögen aus den Häusern
schlagen wollen.
Ein grotesker Widerspruch. Es geht um nichts anderes als
die dringend notwendige Rettung wertvoller
Denkmalsubstanz durch Liebhaber, die Erhaltung eines
besonders schönen Stückes Stadtbild und eine
angemessene Nutzung der Häuser. Wenn dann das Konzept
auch eine halböffentliche Nutzung einschließt,
Vorzeigemodell gegen den Trend des Wegzugs ins Umland
sein will und Akzente für das Wohnen und Arbeiten in der
Stadt setzt, sollte sich die Stadt Halle glücklich
schätzen, daß eine Gruppe wie die IG Mittelstraße sich
dieser Aufgabe widmen möchte und ihr Unterstützung
gewähren. Die Stadt hat hier die Chance, in
Zusammenwirken mit Vereinen und bürgerschaftlichem
Engagement ein imagebildendes Projekt zu entwickeln, von
dessen Ausstrahlung sie mehr profitieren kann, als sie
jetzt investieren muß. Oder sie kann kleingeistig ihre
Potentiale verschenken, einen weiteren Teil ihres
Schatzes an Baudenkmalen preisgeben und signalisieren,
daß Engagement in dieser Stadt nicht gefragt ist.
Wie geht es weiter? Es
wird wieder verhandelt und gerechnet. Modelle müssen
umgeschrieben, Finanzierungen aufgestellt werden und es
müssen Härten aus dem vorgeschlagenen Pachtvertrag
entfernt werden. Derweil frißt der Verfall an den
Häusern.
Ende Juli führte der
Arbeitskreis Innenstadt gemeinsam mit der IG
Mittelstraße eine notwendige Reparatur im Kehlbereich
des Daches der Mittelstraße 18 durch.
|
|