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Die Freyberg-Brauerei

J. Engelhardt





Ansicht der Freyberg-
Brauerei von der Saale
(Aufn.: W. Schönfeld)

















Gebäude 1-4 (v.l.n.r., siehe Lageplan)
Aufn.: J.Engelhardt




Lageplan











Turmaufsatz auf dem Sudhaus
Aufn.: J.Engelhardt



Oktogontreppenturm des Kesselhauses
Aufn.: J.Engelhardt














Flaschenbierabfüllung im Nordflügel
Aufn.: J.Engelhardt
»An der Saale hellem Strande stehen Burgen stolz und kühn…«

Das Lied besingt romantisierend die Ruinen einer längst vergangenen Zeit. Dem Wanderer begegnen entlang des Flusses aber auch jüngere, burgenartige Relikte, die vom Glanz der Stadt in einer anderen Zeit künden.
Einer der imposantesten Baukomplexe an diesem Standort ist (neben den Papierfabriken, der Böllberger Mühle und dem bereits sanierten und umfunktionierten Elektrizitätswerk) das Ensemble der ehemaligen Freyberg-Brauerei. Das Unternehmen galt Mitte der dreißiger Jahre als größte Privatbrauerei Deutschlands, in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts besaß es als Getränkeproduzent und Arbeitgeber noch regionale Bedeutung. Heute bietet das Objekt mit der denkmalgeschützten Fassade zur Saale hin einen eher traurigen Anblick.

Halle erlebte Ende des 19. Jahrhunderts im Zuge der Industrialisierung eine wirtschaftliche Blüte, die den Charakter der Stadt wesentlich prägte. Die Stadt entwickelte sich als Standort von Zuckerindustrie, Maschinenbau, Eisenbahn und anderen Branchen. Auch das Brauereiwesen nahm einen enormen Aufschwung.

Die Freyberg-Brauerei geht, wie auch die zweite große Brauerei in Halle, in ihren Wurzeln auf die Familie Rauchfuß zurück. 1816 gründete der Stärkefabrikant Christian Gottfried Rauchfuß das Unternehmen am Großen Berlin, sein Sohn Friedrich Wilhelm Herrmann Rauchfuß führte es ab 1846 weiter, 1879 übernahm dessen Neffe Herrmann Freyberg die Leitung des Betriebes. Unter seiner Regie begann ein stärker fachwissenschaftlich begründetes Brauen, das Unternehmen expandierte und kaufte einige kleinere Brauereien auf.
Seit 1866 hatte die Firma schon Keller auf dem in Oberglaucha erworbenen Gelände genutzt, 1886 wurde die gesamte Produktion hierher verlagert. Auf dem weiträumigen Gelände zwischen Saale und Glauchaer Straße begann eine rege Bautätigkeit (u.a. Maschinenhaus mit moderner Technik). Nach Grundstückserweiterungen erstreckte sich das Betriebsgelände vom Saalberg im Norden bis zu den Weingärten im Süden, auch jenseits der Glauchaer Straße standen einige Teile der Anlage. Unter dem Sohn Hans Freyberg wurden die Tradition und der Erfolg des Familienunternehmens fortgesetzt, 1931 produzierte man 100 000 Hektoliter Bier und war auch an Standorten in Merseburg, Könnern und Eisleben tätig.

Aus der Blütezeit der Brauerei stammen die wichtigsten Teile des Ensembles: Das Eckhaus an der Südostecke beherbergte in einem dreigeschossigen Ziegelrohbau das Kontor und Büroräume. Imposanter erscheint das angrenzende Gebäude mit dem hölzernen Dachaufsatz. Als Herzstück der Anlage erhielt das Sudhaus (gebaut in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts, 1923 bis 1926 umgebaut) einige schmückende Ausgestaltungen, so die krönenden Türmchen und schmiedeeiserne Verzierungen. Maschinenhaus, Kesselhaus (mit Treppenturm-Oktogon), Räume der Faßbierabfüllung und das Pumpenhaus sind, wenn auch beschädigt, erhalten; komplett eingestürzt ist mittlerweile der Raum der ehemaligen Eismaschine.

Das Schwankhallengebäude, das die Brauerei zur Saale hin abschließt, besaß in den östlichen Kellerräumen Gärungs- und Abfüllanlagen sowie Lagermöglichkeiten, zur Flußseite grenzt ein massiver Sockel ab. In den beiden Geschossen darüber befanden sich Werkstätten, im ausgebauten Dachboden die eigentliche Schwankhalle. Hier reinigte und sterilisierte man die Fässer und dichtete diese ab. Spuren der Arbeit sind an dieser Stelle und allerorten zu sehen. Dem 1912 gebauten Haus wurde als Schaufront eine reich gegliederte Fassade vorgeblendet, die sich am Jugendstil orientiert und in ihrer eleganten Gestaltung und ihrer Luftigkeit ein Kleinod der Industriearchitektur und der Fassadengestaltung darstellt. Das Dach der Schwankhalle wurde weitgehend gesichert, doch dringt auch hier Wasser durch defekte Dachluken und Lichtschächte ein. Zur Hofseite hin weist das Gebäude starke Schäden auf, einige Mauerteile fehlen. Seit September 2000 steht an der Fassade ein Gerüst der Firma Blitz- Gerüstbau Rommel, Sanierungsarbeiten sind bisher nicht erfolgt.

Im Norden des Geländes begrenzen das Kühlhaus (mit Aufzugsturm), Lager- und Belegschaftsräume sowie die Halle für die Flaschenabfüllung (1926 bis 1928 erbaut) das Areal. Über letzterer befanden sich Wohn- und Büroräume, ebenso Labors. Als letzter großer Teil der Brauerei wurde 1936 das relativ freistehende Gebäude im Nordosten gebaut. Im Keller beherbergte es u.a. Sanitärräume der Belegschaft, im Erdgeschoß Werkstätten und im Obergeschoß den sogenannten Kameradschaftssaal. Über den rot geklinkerten Treppenturm erreichte man die große Dachterrasse, die der Belegschaft in Arbeitspausen zur Verfügung stand. Die Räumlichkeiten sind in relativ gutem Zustand.
An der Glauchaer Straße integriert eine Mauer die zuletzt gebauten (1937) Funktionselemente wie Trafohäuschen, Garagen und Pforte.

Insgesamt gesehen stellt die Freyberg-Brauerei keinen geschlossenen architektonischen Komplex dar. Entsprechend den Anforderungen ist sie gewachsen und wurde gestaltet.
(Mehr Informationen zur Architektur finden sich in dem Beitrag von G. Helke in: D. Dolgner/J. Lipsdorf (Hg.), Historische Industriebauten der Stadt Halle/Saale, S.35 – 46.)

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Freyberg-Brauerei und die Mitteldeutsche Engelhardt AG 1947 verstaatlicht und unter staatlicher Regie (VENAG) fusioniert. Unter wechselndem Namen braute die Brauerei Halle im Rahmen des VEB Getränkekombinates Halle bis 1990 Bier. Nach der Übernahme durch EKU Kulmbach wurde bis 1993 im Betriebsteil Böllberger Weg Bier abgefüllt, dann wurde auch dort der Betrieb eingestellt. Trotz mehrfach genährter Hoffnungen kam 1996 mit der Auflösung der Meisterbräu GmbH das endgültige Aus für das Brauereiwesen in Halle.

Bereits 1995 hatte es einen »Wegnahmeantrag« des Besitzers (EKU) gegeben, der aber im Juni durch die obere Denkmalschutz-
behörde abgelehnt wurde. Streit gab es ebenfalls um notwendige Sicherungsmaßnahmen und um den Erhalt der Fassade zwischen dem Konkursverwalter Jörg Riedemann und dem Planungs-
dezernenten der Stadt. Insgesamt wurde keine befriedigende Lösung gefunden. Aus einem von der Stadt 1995 ausgelobten Architektur-
wettbewerb ging das Konzept der AGN Halle (zusammen mit Fa. Philipp Holzmann) als Sieger hervor, doch wurde auch diese Idee nie Wirklichkeit.

Ein anderer Ansatz, die alte Brauerei mit neuem Leben zu erfüllen war der seit Oktober 1994 laufende »Tanzpalast Kantine« (mit dem Cafe Nöö und dem Objekt 5 als Betreiber). Aber auch diesem Projekt war keine Dauerhaftigkeit beschieden.

Am 7.9.2000 erschien die Freyberg- Brauerei noch einmal in den Schlagzeilen der Presse: Ein Brand hatte Teile des Betriebes zerstört. Die FAZ schrieb am 9.9.2000 unter dem Titel Heiße Sanierung: »Am Vorabend des Tages des europäischen Denkmals ist die historische Brauerei in Halle ausgebrannt.« Parallelen zu den Bränden in den Papierfabriken und in der Maschinenfabrik wurden gezogen.

War dies das endgültige Sterben der traditionsreichen Brauerei?

Stadt in der Stadt. Ein MZ-Artikel von M. Schramme am 27.2. 2001 weckte neue Hoffnungen. Nach einem Gespräch mit dem neuen Besitzer Herrn S. Weiner (Kauf zu Anfang dieses Jahres) wurde der Beginn eines Wohnprojektes in ca. zwei Jahren, die Wiederherstellung der Schwankhallenfassade bis Ende Juni angekündigt. Letzteres war wohl ein wenig übereilt, denn bisher wurde noch nicht am Objekt gearbeitet.

Ein Gespräch mit Herrn Weiner (u.a. auch Investor auf dem Gelände gegenüber der Brauerei inklusive des Supermarktes und der Kneipe BACKSIDE; zur Zeit Sanierung der Großen Ulrichstraße 26) am 14.06.2001 ergab folgenden aktuellen Stand: Es gibt für das (Wohn-) Projekt Freyberg-Brauerei einen potentiellen Betreiber, ein großes Architekturbüro in Halle arbeitet an einer Konzeption, die Ende Juni vorliegen soll.

Bleibt zu hoffen, daß der jetzige desolate Zustand der Brauerei sich nicht weiter verschärft und möglichst viel vom baulichen Ensemble erhalten werden kann. Sicher müssen und können nicht alle Bauten, nicht alle Industriedenkmale erhalten werden. Doch zeigen gerade einige erfolgreiche Umnutzungen, was möglich ist: Wohnprojekte in alten Kraftwerken in Wien und Berlin, die Yenidze in Dresden, der Bayrische Bahnhof in Leipzig oder auch das VW- Autohaus in Halle, gegenüber, am anderen Ufer der Saale.

»An der Saale hellem Strande…« – Die Freyberg-Brauerei hätte es verdient, uns weiterhin an ein Stück Stadt- und Industriegeschichte zu erinnern.