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Vertane Chancen:
Zwei Renaissancehäuser – Marktplatz 15 und 17 – wurden saniert


C. Feigl
 



Marktplatz 14 - 18
um 1900
(Aufn.: Stadtarchiv)
Bereits im letzten Heft haben wir kurz über die Sanierung der Apotheke »Zum Blauen Hirsch« (Marktplatz 17) berichtet. Auch wenn man in Betracht zieht, daß der Bauherr das Projekt ohne Fördermittel verwirklichte, wie die MZ lobend hervorhebt, bleibt das Ergebnis enttäuschend. Es ist wohl das Unvermögen, den Wert eines historischen Gebäudes zu erkennen und hervorzuheben, gepaart mit dem Drang nach größtmöglicher Verwertung der teuren Immobilie. Anders ist es nicht zu erklären, daß die großzügige Raumaufteilung in unzählige kleine Einheiten zerhackt wurde. Die gewöhnliche Innenausstattung läßt kaum noch etwas von der einstigen Pracht des Renaissancebaus erahnen. Liebe zum Detail sucht man vergebens. Einzig die spätbarocke Decke im 1.Obergeschoß zeugt von kulturvolleren Bewohnern.

Dabei ist es wohl den strengen Denkmalauflagen zu verdanken, daß sich wenigstens die Fassaden- und Dachgestaltung akzeptabel ausnimmt. Am westlichen Ladeneinbau – einem Monstrum aus unproportioniert zusammengezimmerten Bohlen, das mehr Schatten wirft, als es Licht spendet – läßt sich erahnen wie schlimm es hätte kommen können.



Rekonstruierter Renaissancegiebel in der Gasse Kühler Brunnen
(Aufn.: Feigl)




Marktplatz 15, Westwand mit Nische im 1. OG
(Aufn.: Feigl)





Marktplatz 15, Stuckdecke im 1. OG
(Aufn.: Feigl)




Marktplatz 15, nicht mehr genutzte Treppe
(Aufn.: Feigl)

Auch am Markt 15, dem 1512 erbauten und im 17. Jahrhundert geteilten Wohnhaus Hans’ von Schönitz, nebst den beiden Seitenhäusern in der Gasse zum Kühlen Brunnen, stehen die Sanierungsarbeiten kurz vor dem Abschluß. Anders als beim »Blauen Hirsch« war die Herangehensweise hier wesentlich gründlicher.
Der partiell schlechte Erhaltungszustand zwang zu umfassenden Sanierungen der Holzkonstruktion. So wurde beispielsweise die hofseitige Raumachse der Seitenhäuser und deren Dachstuhl vollständig erneuert. Mit etwas mehr Augenmaß hätten hier die Eingriffe weniger radikal und dadurch mit größerem Substanzerhalt ausfallen können. Dies trifft auch auf die Reparatur – oder vielmehr den Ersatz – der barocken Holzgesimse an der Marktfassade zu. Dennoch kann man das äußere Erscheinungsbild im wesentlichen als gelungen betrachten. Zum Markt hin zeigt sich die Fassade in ihrer barocken Fassung. Der spätgotische Maßwerkgiebel an der Westseite wurde im unteren Teil neu verputzt. Die in der Gasse sich anschließenden beiden Häuser sind in ihrem ursprünglichen Erscheinungsbild wiederhergestellt. Besonders eindrucksvoll wirkt das Renaissancefachwerkhaus mit seinem rekonstruierten Zwerchhaus.
Doch leider wird der erste positive Eindruck beim genaueren Hinsehen relativiert. Das Fachwerk kann mit seinen maschinengeschnittenen Balken nicht verbergen, daß es dem 20. Jahrhundert entstammt. Handbebeiltes oder zweitverwendetes Holz wäre angemessener gewesen, doch wer sollte das bezahlen. Schwerer fallen die handwerklichen Mängel anderer Gewerke ins Gewicht. So sieht man dem Putz am gotischen Giebel zu sehr an, daß er maschinell aufgebracht und ungeschickt nachgezogen wurde. Zudem ist der Putz teilweise so dick auftragen, daß einige Schmuckteile – die Überkragungen der Schwelle und eine barocke Türfasche – nicht mehr hervortreten, sondern mit einer sauberen Schnittkante versehen im Putz versenkt sind. Mit weniger Drang zur glatten Oberfläche und zum rechten Winkel wäre das Ergebnis angemessener gewesen.
Auch im Inneren setzt sich die inkonsequente Herangehensweise fort. Während man viel Mühe auf die Restaurierung der reichlich vorhandenen Stuckdecken verwendete, blieben die anderen historischen Befunde weitestgehend unberücksichtigt. Daß die Reste der Bohlenstube nicht wieder sichtbar gemacht wurden, ist noch nachvollziehbar, wurde doch die Raumsituation bereits im Barock wesentlich verändert. Mit Rücksicht auf die qualitätvolle Stuckdecke verbot es sich, die Decke samt vorhandenem profilierten Unterzug freizulegen. Warum jedoch die vorhandene Wandgliederung bündig vermauert wurde, ist unklar. Fehlender Wärmeschutz kann bei einer Wandstärke von mehr als 40 cm kaum der Grund gewesen sein.
Mehr Probleme als Nutzen bringt die reichlich 10 cm hohe Anhebung aller Fußböden, um die Versorgungsleitungen (Heizungsrohre, Elektrokabel etc.) darin unterzubringen. Die Folgen sind extrem niedrige Fensterbänke und geringere Durchgangshöhen der Türen, was nach sich zieht, daß die alten Türblätter nicht mehr verwendet werden konnten. Besonders krass ist der Umgang mit der Treppe. Einer Denkmalauflage folgend, wurde diese aufgearbeitet, aufgrund der im gesamten Haus vorgenommenen neuen Raumaufteilungen ist sie jedoch funktionslos geworden. Um weiteren Platz zu gewinnen, schloß man den Durchbruch, so daß die Treppe nun an der Decke endet.



Weitere Merkwürdigkeiten ließen sich aufzählen. Zwar ist der Versuch erkennbar, dem Bau einen Anschein von Exklusivität zu verleihen. Materialwahl und Raumaufteilung (nicht immer dem historischen Bestand angemessen) zeugen von einem Drang zum Besonderen. Doch wäre es oft wirkungsvoller (und kostengünstiger), würde sich der Bauherr mehr auf die reichlich vorhandenen historischen Befunde besinnen.
  Nach zahlreichen Erfahrungen bescheiden geworden, ist man aber bereits froh, wenn bei Sanierungen nicht große Teile der historischen Pracht auf dem Müll landen, sondern unter Verputz und Gipskarton verborgen bleiben und so noch eine Hoffnung auf kunstsinnigere Eigentümer besteht. Doch gerade für die Nordseite des Marktes mit ihren so einzigartigen Baudenkmalen wäre zu wünschen gewesen, daß diese bereits heute eine angemessene Restaurierung erfahren hätte, einschließlich der zahlreichen Details. Die Rannische Straße 9 könnte dabei als Vorbild gelzen. So bleibt die Vorlage für die Frankonia, die die östliche Hälfte des Schönitzschen Wohnhauses (heute Markt 16) erworben hat, leider nur Mittelmaß. Bleibt zu hoffen, daß diese, nach ihrer Sammelwut von historischen Häusern, deren Sanierung endlich beginnt.  
 
Literatur:

Hallesche Blätter Nr. 8, S. 11; Nr. 9, S. 1ff; Nr. 11, S. 1ff; Nr. 15, S. 18f

R. Rüger: »Der Kühle Brunnen«, in: Historische Beiträge 6, 1989

Pregla/Schmitt: »Zum Stand der Hausforschung in Halle«, in: Denkmalpflege in Sachsen-Anhalt, Heft 2/1998