QUARTALSHEFTE  I  SONDERHEFTE  I  INHALT HB 1-15  I  ABO  
Hallesche Blätter > Quartalshefte > Inhalt HB 17 > Beitrag 07                          zurück zum Inhaltsverzeichnis
 
Tabula Rasa am Graseweg

C. Feigl
 


Galerie im Hof der Großen Klausstraße 2 vor dem Abriß
(Aufnahme: C. Feigl)
Immer wieder ist zu beobachten, daß bei Sanierungsvorhaben in der Altstadt zwar viel Aufmerksamkeit auf die Wiederherstellung der Gebäude gelegt wird, die den Straßenraum begrenzen, die vorhandene Hofbebauung jedoch, im Schatten der repräsentativen Denkmale, unbemerkt verschwindet. Der Zusammenhang zwischen den Wohn- und Geschäftshäusern und dem notwendigen Hinterland (Ställe, Schuppen, Werkstattgebäude und Seitenflügel) wird so auseinandergerissen und ein wichtiger Aspekt des authentischen Bildes einer historischen Stadt geht verloren.

Besonders schmerzlich sind die Abrisse in Höfen, die weitgehend unversehrt das letzte Jahrhundert überlebt haben. Der Hof des Grundstückes Große Klausstraße 2, der sich hinter den Gebäuden des oberen Grasewegs befindet, war bis vor kurzem noch ein solcher. Zu erreichen durch die flache Tordurchfahrt des barocken Eckgebäudes Große Klausstraße 3, ist der Hof an der Süd- und Westseite von zweistöckigen Fachwerkgebäuden aus dem späten 19. Jahrhundert begrenzt. An der Nordseite befand noch kürzlich eine ebenfalls zweistöckige Fachwerkgalerie von nicht einmal zwei Meter Tiefe. Zwei Drittel des Erdgeschosses waren freitragend mit einer Mittelstütze ausgeführt. Diese Konstruktion erlaubte eine uneingeschränkte Nutzung des engen Hofes und bot Stauraum im Obergeschoß. In Verbindung mit den bis an den Hof heranreichenden Seitenhäusern des Grasewegs 1 und 2 ergab sich das geschlossene Bild eines vorgründerzeitlichen Wirtschaftshofes.








Nachdem bereits im Sommer des letzten Jahres der westliche Seitenflügel bis auf die Giebelwände abgebrochen und in den folgenden Monaten durch eine Kopie in sehr minderwertiger Qualität ersetzt wurde, ist nun auch der östliche Fachwerkbau verschwunden. Zwar wurde die Abrißtätigkeit mehrfach vom AKI festgestellt und die untere Denkmalschutzbehörde informiert, doch wirkten die daraufhin ausgesprochenen Baustops nur für kurze Zeit, um dann einfach ignoriert zu werden. Dabei ist für die Baumaßnahmen, einschließlich der Sanierung der Großen Klausstraße 2, nicht einmal ein Bauantrag eingereicht, geschweige denn genehmigt worden.
Die Erhaltungskosten zumindest für die Galerie wären gering gewesen, sie störte nicht und hätte reizvoll in die Hofgestaltung einbezogen werden können. Ihr Abriß ist reinem Unverstand geschuldet.
Der gleiche Bauherr, die BS-Immobilien aus Karlsruhe, ist nun in Verhandlungen, die Grundstücke Große Klausstraße 3 und Graseweg 1 zu erwerben. Bei der dringend notwendigen Sanierung dieser Gebäude wäre es fatal, wenn sich die bisher gezeigte Herangehensweise fortsetzen würde.

Über die Geschichte der Gebäude werden wir in unserer nächsten Ausgabe informieren.