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Braucht Halle ein neues »Altes« Rathaus?

H. Loehr / C. Feigl
 



Rathaus und Wage nach den Bombentreffern
(Aufnahme: E. Fritze, 1946)
Durch die erneute Gründung eines Vereins scheint der Wiederaufbau des Alten Rathauses ein weiteres Mal zum Thema zu werden. Dabei haben sich die Argumente, die dagegen sprechen, nicht geändert. So schmerzlich der Verlust dieses eindrucksvollen Bauwerkes bleibt und so begrüßenswert Initiativen sind, die die Stärkung von Geschichtsbewußtsein und Verbundenheit mit der Stadt zum Ziel haben, so wenig ist es der aktuellen Situation in Halle angemessen, Energie und Geld in Wiederaufbauten zu investieren.

Folgende Gründe sprechen dagegen:

Außer Fundamentresten und vereinzelter Bauplastik ist keinerlei Originalsubstanz mehr vorhanden. Der gern zum Vergleich herangezogene Rote Turm bedurfte im Unterschied dazu in den 70er Jahren nur einer Ergänzung, wenn auch einer sehr wesentlichen. Auch die Ruinen der Frauenkirche in Dresden oder der Johanniskirche in Magdeburg boten mit ihrer erhaltenen Substanz eine völlig andere Ausgangslage. Der Marktplatz in Hildesheim mit dem Knochenhaueramtshaus wurde zu großen Teilen neu in alter Gestalt errichtet – allerdings in einer im Krieg völlig zerstörten und dann gefühllos wiederaufgebauten Stadt, der von ihrer einstigen Schönheit fast nichts geblieben war. In solchem Umfeld ist der Wunsch verständlich, historische Erinnerung wenigstens in Form von Nachbauten und Kulissen erfahren zu können.

 







In dieser traurigen Lage befindet sich Halle glücklicherweise nicht ! Die Stadt verfügt dank der insgesamt im Vergleich zu anderen Städten geringen Kriegszerstörung und trotz der Verwahrlosung in DDR- Zeiten noch über einen beachtlichen Bestand an Baudenkmalen aus verschiedenen Zeiten. Vieles davon ist in den letzten zehn Jahren saniert worden. Doch wurden auch in dieser Zeit noch Dutzende Baudenkmale abgerissen und zahlreiche bedeutende Gebäude befinden sich immer noch in bedrohlichem Zustand. Diesen sollte verstärkte Aufmerksamkeit geschenkt werden, denn sie sind authentische Zeugnisse der Stadtgeschichte, die das Stadtbild prägen:

• das Solbad Wittekind,
• die Berliner Brücke,
• die Neumühle,
• das Passendorfer Schlößchen,
• die Fachwerkhäuser Mittelstraße 17/18,
• die Kleine Ulrichstraße 36,
• die Große Märkerstraße 5,
• der Große Sandberg 16,
• der Gasthof zur »Goldenen Rose« Rannische Straße 19

und viele andere. Einige von ihnen droht akut der Abriß.

Eine Stadt, die weitere Verluste an ihren Baudenkmalen hinnimmt, um gleichzeitig etwas seit 50 Jahren Verlorenes neu zu errichten, müßte mit größtem Befremden über soviel kulturellen Unverstand rechnen, nicht jedoch mit einem Imagegewinn, wie er erhofft wird.

Es bleibt bislang völlig offen, was sich die Initiatoren unter einem Wiederaufbau genau vorstellen. Geht es lediglich um einen Nachbau der äußeren Fassade als Kulisse vor einem modernen Zweckbau, oder um den – fast aussichtslosen – Versuch, historisch gewachsene bauliche Struktur nachzuempfinden? Bevor zu Spenden aufgerufen wird, müßten diese grundsätzlichen Fragen geklärt sein.

Bei einer veranschlagten Summe von 50 Mio. DM würden selbst bei größter Spendenbereitschaft die öffentlichen Kassen und Fördermöglichkeiten erheblich belastet werden, deren Gelder jetzt schon nicht für den notwendigen Substanzerhalt reichen. Die Opferung weiterer bisher erhaltener historischer Gebäude wäre die unvermeidliche Folge.

Wenn Hallenser bereit sind, für das Bild ihrer Stadt Geld zu spenden, bieten gefährdete Denkmale lohnende Möglichkeiten. So hat die Stiftung, die das traditionsreiche Bad Wittekind mit einem anspruchsvollen Konzept wiederbeleben will, alle Unterstützung der halleschen Bürgerschaft nötig (Spendenkonto: 380307138, BLZ 80053762, Stadt- und Saalkreissparkasse, für den Förderkreis Wittekind e.V.). Auch der Bauförderverein für die dringend notwendige Sanierung des Daches der Marktkirche kann jede Hilfe brauchen (Spendenkonto: 384308103, bei der Stadt- und Saalkreissparkasse Halle, BLZ 80053762). Die hier fehlende Summe von 300.000 DM ist überschaubar, aber von der Gemeinde allein kaum aufzubringen.

Andere Beispiele ließen sich anfügen.