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Was nicht paßt, wird passend gemacht
Pläne für ein Multimediazentrum in der Mansfelder Straße

C.Feigl
 




 

Klaustorvorstadt von Westen (Aufnahme: W.Schönfeld, 1979)

 



Die Pläne, auf dem derzeitigen Parkplatz Mansfelder Straße/Ankerstraße ein Multimediazentrum zu errichten, nehmen langsam Gestalt an. Kürzlich wurde das Projekt im Rahmen einer Ausstellung im technischen Rathaus vorgestellt.

Schon bei der Standortwahl zeigen sich Probleme. Der Bauplatz ist räumlich eng begrenzt. Um die gewünschte Nutzung unterzubringen, muß sehr kompakt gebaut werden. Immerhin sollen 6000 m² Nutzfläche entstehen – für den Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften der Universität, die Landes-
Fernsehakademie sowie für Existenzgründer im Medienbereich. Das Gelände ist in städtischem Besitz und somit frei verfügbar, aber bei dem jetzt schon absehbaren Platzmangel wäre der Bau an einem anderen Standort besser untergebracht und ließe sich städtebaulich verträglich realisieren. Der unfertige Stadtteil auf der Spitze böte sich geradezu an, wenn denn schon die Nähe zum MDR – ob es die im multimedialen Zeitalter noch braucht, sei dahin gestellt – gesucht wird. Letztlich muß sich die Stadt auch die Frage gefallen lassen, warum sie nicht eines der zahlreichen leerstehenden Gebäude umnutzt. Wenn sie dies von der Landesregierung für den Umzug des Polizeipräsidiums fordert, sollte sie selbst dem nicht nachstehen. Dabei scheinen die Hochhausscheiben von Halle-Neustadt nicht unpassend für die Nutzung als Multimediazentrum.

Doch die Standortwahl wurde nicht anhand dieser Überlegungen getroffen. Das neue Multimediazentrum wird in der Mansfelder Straße gebaut.

 


Entwurf von der Büro-
gemeinschaft Acerplan




Aber auch die Gestaltung erregt einigen Widerspruch. Der Entscheidung für den aktuellen Entwurf ging eine beschränkte Architektenausschreibung voraus. Bereits im Verlauf des Verfahrens zeigten sich Schwierigkeiten, aus den eingereichten Arbeiten eine Auswahl zu treffen. Gerade der Anspruch der Stadt, »etwas Besonderes« an dieser Stelle zu errichten, erwies sich als starke Einschränkung. Entwürfe, die sich in ihrer Formensprache zurücknahmen, jedoch dem Charakter des Gebietes mit kleinteiliger Blockbebauung und damit dem eigens erstellten Bebauungsplan gerecht werden wollten, gerieten frühzeitig ins Hintertreffen. Statt dessen wurden seitens der Auftraggeber zwei Arbeiten favorisiert, die mit wenig Rücksicht auf die Umgebung eine moderne Formensprache für die »Zukunftsbranche« anboten. Unter diesen befand sich allerdings ein wirklich interessanter Entwurf der halleschen Bürogemeinschaft Acerplan. Es handelte sich um ein riesiges gläsernes Ellipsoid, das – einem Ufo gleich – in der städtischen Landschaft gestrandet scheint. Der Bau ist in solchem Maße Fremdkörper, daß er sich, losgelöst von der Umgebung, als Skulptur darstellt. Seine runde Form und die durchlässige Oberfläche lassen ihn weniger massiv wirken, als nach der beträchtlichen Größe zu erwarten wäre.

Stattdessen wurde jedoch kleinmütig der Entwurf der Architekten Letzel & Freivogel bevorzugt. Aus Kreisen der Gutachterkommision war zu hören, daß die Entscheidung keineswegs so eindeutig ausgefallen ist, wie im Nachhinein betont wurde. Die Hälfte der Gutachter wollte diesem Vorschlag nicht folgen, so daß erst der Bauherr – die von der Stadt bestellte, zukünftige Betreibergesellschaft – und die beteiligten Dezernenten die nötige Mehrheit herstellten.



Siegerentwurf: Ansicht von der Mansfelder Str.
(Letzel & Freivogel)

Nach dem Siegerentwurf gliedert sich der Bau in zwei Körper. Ein kleinerer, unregelmäßiger Quader schließt den Straßenraum zur Ankerstraße und gibt mit seiner Höhe – er ist eine halbe Etage höher als die Firstlinie des Gasthofes zum Goldenen Herz – den Auftakt für das Hauptgebäude.

Dieses baut sich mit einer riesigen, anthrazit-farbenen Wand entlang der Mansfelder Straße auf. Der leicht geschwungene Baukörper ist horizontal zweigeteilt, um eine Höhenstaffelung vage anzudeuten. Grundprinzig der Gestaltung ist das Motiv einer von mehreren Stützen getragenen Brücke, über der sich das eigentliche Gebäude erhebt. Durch die Verglasung von zwei Dritteln des Erdgeschoßbereiches wird dieses Prinzip jedoch völlig verunklärt. Lediglich das westliche Drittel, das bis zur Uferkante reicht, ist als frei tragend erkennbar.

Mit den fünf Vollgeschossen im westlichen Gebäudeteil wird zwar die Firstlinie der gegenüber liegenden Gründerzeitbebauung nicht überschritten, dennoch wirkt der Bau mit seiner nur wenig gegliederten Fassade und dem weitestgehend unterlassenen Versuch, diesen in Voll- und Dachgeschosse zu gliedern, viel zu wuchtig.

Unter dem Hof sind im ersten Untergeschoß ein Hörsaal, der, das Geländegefälle ausnutzend, sich nach Westen öffnet und im zweiten Untergeschoß eine Tiefgarage geplant. Auf diese Weise soll ein öffentlich nutzbarer Hofraum verbleiben, dem durch Stufen zum Saaleufer zusätzliche Attraktivität verliehen wird.


Modellansicht des Siegerentwurfes (Letzel & Freivogel)
Die städtebauliche Reparatur, die hier hineininterpretiert wird, ist nur bedingt nachvollziehbar. Zwar werden die Strassenräume Anker- und Mansfelder Straße wieder geschlossen, doch durch das Mißverhältnis der Proportionen zur bestehenden Bebauung ist das Ergebnis völlig unbefriedigend. Dagegen bleibt die Ansicht von Westen her ungefaßt. Eine Platzöffnung zur Saale hin ist eher untypisch für Halle. Die Stadt stellt sich nach Westen, entlang des Flusses, als eine fast durchweg geschlossene Gebäudefront dar. Diese Stelle, der westliche Eingang zur Stadt, verlangt eher nach einem Abschluß – analog der Bebauung der Herrenstraße – statt den Blick in einen Hof zu gewähren.

Daß der Entwurf mit dem eigens der Nutzung als Multimediazentrum angepaßten Bebauungsplan konform geht, muß in mehreren Punkten angezweifelt werden. So heißt es unter Punkt 6.5: »… es wird festgesetzt, daß … die Gebäudefassaden entlang der Mansfelder Straße sich in ihrer architektonischen Ausformung und Gliederung dem durch die denkmalgeschützten Gebäude gebildeten städtebaulichen Ensemble anpassen müssen«, oder im Punkt 6.7 daß »…die bauliche Großform in der Höhe durch Zurücknahme des obersten Geschosses … An der Hulbe gegliedert wird«. Beides ist beim besten Willen nicht erkennbar. Problematisch ist auch, daß das Gebäude mehr als 12 Meter über den festgesetzten Straßenraum An der Hulbe und eine Grünfläche ragt. Heißt es doch dazu im B-Plan unter Punkt 5.1: »… es wird festgesetzt, daß … bei den Baugrenzen ein Vortreten von Gebäudeteilen bis zu 2,00 m unter Vorliegen besonderer städtebaulicher bzw. stadtgeschichtlicher Gründe ausnahmsweise zulässig ist«. Mittlerweile wird eine erneute Änderung des Bebauungsplanes – nicht etwa des Baukörpers – in Erwägung gezogen.

Es soll nicht der Eindruck erweckt werden, daß allein durch das sture Abarbeiten des derzeitigen B-Planes der Entwurf an dieser Stelle passender wird. Es zeigt sich eben auch bei der Gestaltung, daß die eingangs erwähnte Kritik berechtigt ist: Der Standort ist falsch gewählt.

 



Ansicht des alten Hafens
(Aufnahme: Stadtarchiv)

Hintergrund:
Der Packhof im 19. und 20. Jahrhundert – ein Rückblick

Die Aufhebung der Flußzölle im Jahre 1827 erwies sich bereits nach kurzer Zeit als Impuls für einen aufstrebenden Handelszweig – die Saaleschiffahrt.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist diese Entwicklung ganz wesentlich mit dem Gelände der westlichen Klaustorvorstadt, zwischen Ankerstraße und Salineinsel, unmittelbar an der Schieferbrücke, verbunden. Das 1826 gegründete »Comité zur Beförderung des hallischen Handels«, dem zwölf Handelshäuser angehörten, erweiterte erheblich den bereits seit dem Mittelalter existierenden Hafen unweit des Klaustores. Mit dem 1836 errichteten Speicher (heute das Hotel Ankerhof) konnten nun auch Waren steuerfrei gelagert werden. In den Folgejahren wurden eine Reihe von Wirtschafts- und Funktionsgebäuden auf dem Gelände errichtet. Neben Lagerhallen verschiedener Größen gehört dazu das 1901/02 errichtete Hauptzollamt. Auch die nördlich davon gelegenen Speichergebäude der Fa. A. Mann, die heute als Gasthaus und zu Wohnzwecken genutzt werden, müssen in diesem Zusammenhang genannt werden. Da schon bald der Platz nicht mehr ausreichte, wurde im Jahre 1857 ein Privatgelände nordwestlich des Packhofes zum Sophienhafen ausgebaut. Der Packhof behielt seine nunmehr untergeordnete Rolle als Warenumschlagplatz bis zur zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Mitte der 80er Jahre wurden alle Gebäude zwischen dem Speicher des Packhofes und der Mansfelder Straße abgebrochen. Anlaß war seinerzeit der Neubau der Schieferbrücke, wobei das Gelände als Lagerplatz genutzt wurde. Aber auch die Planung der Westtangente, einer vierspurigen Stadtautobahn zwischen dem Böllberger Weg und Trotha, gab den Abrißbestrebungen Nachdruck. Neben den Wirtschaftsgebäuden des Packhofes gingen damals der barocke Gasthof zu den Drei Goldenen Kugeln und das städtebaulich markante Gebäude der Schmiede Mansfelder Straße 56 verloren. Seit einigen Jahren wird das Gelände als städtischer Parkplatz genutzt.

(siehe auch: Detlef Wulf/Claudia Stephan »Der Sophienhafen und die Saaleschiffahrt«, in: Historische Bauten der Stadttechnik und des Verkehrs, Halle 1997)