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Das neue VW-Zentrum
im alten Elektrizitätswerk


H. Löhr
 


Ansicht des Elektrzitätswerkes vor 1913
(Publikation: "30 Jahre Elektrizitätswerke Halle", 1931; Stadtarchiv)

Trotz zahlreicher Abrisse herrscht an leerstehenden alten Industriehallen mit interessanter Architektur kein Mangel in Halle. Leider wagt sich selten ein Investor an eine Wiederbelebung. So ist es bemerkenswert, daß die ASA Autohaus GmbH & Co. KG – ein Zusammmenschluß mehrerer VW-Autohäuser – jetzt ihr Hauptdomizil im alten Elektrizitätswerk am Holzplatz genommen hat.

Im Kern stammt der Gebäudekomplex aus dem Jahre 1901, als die Stadt – vor allem zur Belieferung der Industrie und zum Betrieb der Straßenbahn, bald auch der Straßenbeleuchtung und der Haushalte – ein eigenes Kraftwerk errichten ließ. Der Standort Holzplatz empfahl sich durch die Anschlußmöglichkeit an die Hafenbahn zur Kohleversorgung und die bequeme Verfügbarkeit des Saalewassers. Besonders nach außen gab sich die Industriearchitektur repräsentativ, die Maschinenhallen verbargen sich hinter der reich gegliederten und turmbesetzten Fassade des Verwaltungsbaus. Auch die Anbauten einer Werkserweiterung von 1913 (im Osten und Süden) fügen sich in das historistische Erscheinungsbild ein. Nachdem das neugebaute Kraftwerk Trotha 1928 die Dekkung des wachsenden Strombedarfs übernommen hatte, diente die Anlage am Holzplatz nur noch für Reservezwecke, bis sie 1950 zum Heizwerk umgebaut wurde. Der gravierendste Eingriff in das Bauwerk erfolgte 1961, als der nordwestliche Teil des alten Kesselhauses durch eine moderne Stahlskeletthalle ersetzt wurde. Bis 1999 wurde von hier Fernwärme geliefert.

 



Blick in die Machinenhalle des Elektrzitätswerkes
(Publikation: "30 Jahre Elektrizitätswerke Halle", 1931; Stadtarchiv)



Die Tradition der Autoreparatur an dieser Stelle reicht bis 1946 zurück, im südlichen Teil des Werksgebäudes etablierte sich damals eine Werkstatt für die Fahrzeuge der Stadtwerke. Wenige Jahre später wurden dort im VEB Autoreparaturwerk Sachsen-Anhalt die Fahrzeuge des Rates des Bezirkes gewartet, noch später war die Werkstatt Teil des VEB Kraftfahrzeuginstandsetzungswerk Halle. Mitarbeiter dieses Betriebes machten sich 1990 selbständig und gründeten mit Karlsruher Partnern das Autohaus Sachsen-Anhalt, 1991 kaufte die Firma die südliche Halle des Elektrizitätswerkes von der Treuhand und sanierte sie. Für eine geplante Erweiterung zum VW-Zentrum wurde zunächst die Neubebauung der westlich anschließenden Freifläche mit einem Typenbau ins Auge gefaßt. Doch mit der endgültigen Stilllegung des Heizwerkes 1999 eröffneten sich neue Möglichkeiten. Die nach der Fusion mit dem Autohaus Kubik und dem Autohaus Bennstedt zur ASA Autohaus GmbH & Co. KG angewachsene Firma stand vor der Entscheidung, den Standort aufzugeben und auf die grüne Wiese zu ziehen, mit dem Anblick eines langsam verfallenden Industriedenkmals vor dem Neubau zu leben – oder die Geschichte dieses interessanten Industriebaus mit einer umfassenden Sanierung und Umnutzung fortzusetzen. Es ist ein Glücksfall für Halle, daß die Gesellschafter sich von den mit dieser Lösung verbundenen Schwierigkeiten nicht schrecken ließen. Nicht nur die Banken mußten von der Finanzierung der erheblichen Mehrkosten überzeugt werden, auch VW zeigte sich skeptisch bei dem bislang einmaligen Vorhaben eines Vertragspartners.

VW-Zentrum am Holzplatz
(Aufn.: H. Löhr)

Im Gespräch mit Lutz Walter, einem der Gesellschafter und Geschäftsführer, ist die Begeisterung für den Industriebau zu spüren, die nötig war, um die Wiederbelebung des Denkmals dennoch in Angriff zu nehmen. Im Architekturbüro Pleiss/ Dienberg/Domnik aus Gelsenkirchen fand sich ein Partner, der die Aufgabe zu lösen verstand.

Der vorhandene Bestand erfuhr eine überzeugende Sanierung und wurde ergänzt durch einen modernen Glasvorbau, der sich an der typischen Gestaltung heutiger Autohäuser orientiert und so der Eingangszone Erkennungswert verleiht. Flankiert wird dieser Anbau von der dekorativen Gründerzeitarchitektur des Verwaltungsbaus und der sachlichen Heizwerkhalle von 1961, so daß diese Seite die drei wichtigsten Phasen der Baugeschichte spiegelt. Bemerkenswert ist die Erhaltung des Schornsteins, dessen obere 12 Meter aufwendig saniert werden mußten. Umgewidmet zum Träger des VW-Logo zeigt er jetzt aber beispielhaft, welche Chancen in der Umnutzung eines Industriebaus liegen können. Der Werbeeffekt des weithin sichtbaren Firmenzeichens dürfte beträchtlich sein. Die durch die verschiedenen Nutzungen im Laufe der Jahrzehnte völlig verbauten Hallen, deren schöne Galerien und Glasdächer längst verloren waren, wurden für die neue Nutzung entkernt. Während bei dem früher sanierten südlichen Teil der Maschinenhalle (Werkstattbereich) die Decke noch relativ niedrig abgehängt wurde, sind die neu eröffneten Bereiche – das ehemalige Pumpenhaus und der nördliche Teil der Maschinenhalle – in ihrer vollen Höhe belassen und entfalten als Verkaufsraum eine beeindruckende Wirkung. Nicht nur die Eisenstreben der Dachkonstruktion sind sichtbar geblieben, auch ein alter Laufkatzenkran wurde im vorderen Bereich erhalten. Ein Kohlenbunker des Heizwerkes dient jetzt als Projektionsfläche. Moderne Einrichtung und Beleuchtung kontrastieren gut mit diesen Erinnerungsstücken.

  Das Bestreben ging dahin, möglichst viel von der alten Substanz zu erhalten, weichen mußte allerdings der wenig attraktive Rest eines Verwaltungsbaus an Stelle des heutigen Eingangs und das freistehende ehemalige Beamtenwohnhaus auf der nördlichen Vorfläche. Die Außenansicht des historischen Teils hat ihren eigentümlichen Charakter großenteils wiedergewonnen, deutlich setzen sich die roten Klinker der Fenstergewände vom hellen Kratzputz ab. Türme und Giebel mit Fachwerkelementen, verschiedene Gauben, Treppengiebel und ein Balkon prägen die Silhouette zur Saaleseite, auch nach mehrfacher Reduktion gegenüber dem Ursprungsentwurf immer noch ein bemerkenswerter Gestaltungsreichtum.  
  Im Verkaufsraum ist der Prozeß der Sanierung mit einer Fotoausstellung dokumentiert, ein berechtigter Stolz wird darin sichtbar und das Anliegen, die Erinnerung an ein Stück hallesche Industriegeschichte zu bewahren. Es gibt weitere Pläne: bisher noch nicht genutzte Bereiche im Verwaltungsbau sollen für Gastronomie, Fitneßräume und ähnliches hergerichtet werden, Veranstaltungen sollen Öffentlichkeit in das Gebäude ziehen.

Die Betreiber können sich durch positive Reaktionen der Kunden und der Presse bestätigt sehen, auch bei VW hat man inzwischen das Potential der aus dem Typenraster herausfallenden Anlage erkannt. Allerdings hätte das Projekt, das ohne Fördermittel durchgeführt wurde, eine stärkere öffentliche Würdigung verdient. Solche wäre dringend geboten, will man wirklich Nachahmer werben für die zahlreichen anderen leerstehenden Industriebauten in der Stadt.

Immerhin scheint für einen von ihnen, die Hallen der früheren Firma Riedel & Kemnitz in der Merseburger Straße, später Teil der Maschinenfabrik, jetzt ebenfalls ein Lösung gefunden. Mit ihrer Lage und ihrer Struktur drängten sie sich für eine Nutzung als Autohaus seit langem geradezu auf (wie auch das benachbarte Gelände von ehemals Wegelin & Hübner), jetzt will ein Honda-Autohaus sich dort ansiedeln. Den Investoren ist Erfolg zu wünschen und ebenso viel Einfühlungsvermögen in die Architektur wie sie das VW-Autohaus Sachsen-Anhalt am Holzplatz zeigt.

 
  Anmerkung:

Zur Geschichte des Werkes s. Karin Franz »Das Elektrizitätswerk am Holzplatz« in: Historische Bauten und Anlagen der Stadttechnik und des Verkehrs der Stadt Halle/Saale, hrsg. vom Verein der Freunde der Bau- und Kunstdenkmale 1997